Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)
Sarkasmus nicht. »Mit Ihnen werde ich fertig. Aber auch mit dem Mann in der blauen Jacke, der auf der anderen Seite der Straße neben dem Baum steht? Und mit dem anderen Mann beim Eingang des Runden Turms? Denen würde ich wohl kaum entgehen. Die sind nicht fett und schlapp.«
Ivan kicherte. »Man hat mir gesagt, dass Sie klug sind. Zwei Jahre nach Ihrem Abschied aus dem Beruf hat sich das nicht geändert.«
»Nach der Pensionierung habe ich anscheinend mehr zu tun als damals, als ich noch für die Regierung arbeitete.«
»So schlimm?«
»Sie sollten zur Sache kommen, sonst probiere ich doch noch, ob ich mit Ihren Freunden da fertig werde.«
»Nicht nötig, Held zu spielen. Vitt hilft einem Mann namens Lev Sokolov. Exrusse, lebt in China. Vor fünf Jahre heiratet Sokolov Chinesin und verlässt Land gegen Willen von russische Regierung. Er schlüpft aus Land, und als er weg ist, kann man nicht viel machen.«
»Klingt nicht gerade neu«, meinte Malone.
»Wir geglaubt, er ist tot. Stimmt aber nicht.«
»Gibt es sonst noch etwas Neues?«
»Sokolov hat vier Jahre alten Sohn, der ist vor kurzem geraubt worden. Er ruft Vitt an, und die kommt, um Jungen zu finden.«
»Und das bereitet Ihnen Sorgen? Was ist mit der Polizei?«
Ivan schüttelte den Kopf. »In China jedes Jahr verschwinden Tausende von Kindern. Es geht darum, Sohn zu haben. In China ist das wichtig. Sohn trägt Familiennamen. Es ist Sohn, der Eltern hilft, wenn alt sind. Vergiss Töchter. Der Sohn ist, was zählt. Kommt mir verrückt vor.«
Malone hörte weiter zu.
»Chinas Ein-Kind-Politik ist Albtraum«, erklärte Ivan. »Eltern brauchen Geburtsgenehmigung. Sonst bekommen sie Bußgeld, ist höher als was ein Mann in Jahr verdient. Wie kann er sicher sein, Sohn in ein einziges Versuch zu bekommen?« Der Russe schnippte mit den dicken Fingern. »Einen kaufen.«
Malone hatte über das Problem gelesen. Weibliche Föten wurden entweder abgetrieben oder später als Babys ausgesetzt. Jahrzehnte der Ein-Kind-Politik hatten die Frauen im Land knapp werden lassen.
»Problem für Sokolov ist, dass er gegen kriminelles Netzwerk kämpft«, erklärte Ivan. »Ist schlimmer als Russland.«
»Schwer vorstellbar.«
»Es ist illegal, in China Kind auszusetzen, zu rauben oder zu verkaufen, aber ist legal, eines zu kaufen. Kleiner Junge kostet neunhundert US -Dollar. Viel Geld, wenn Arbeiter in Jahr nur tausendsiebenhundert verdient. Sokolov hat keine Chance.«
»Cassiopeia ist ihm also zu Hilfe gekommen. Na und? Wieso geht das Sie etwas an?«
»Vor vier Tage sie reist nach Antwerpen«, berichtete Ivan.
»Um dort das Kind zu suchen?«
»Nein. Um Jungen zu finden, muss sie zuerst etwas anderes finden.«
Jetzt begriff er. »Etwas, was Sie offensichtlich ebenfalls wollen?«
Ivan zuckte mit den Schultern.
Malone sah das Foltervideo vor seinem geistigen Auge. »Wer hat Cassiopeia in seiner Gewalt?«
»Schlechte Menschen.«
Das klang gar nicht gut.
»Hatten Sie je mit Eunuchen zu tun?«
Ni wusste nicht, ob er durch Pau Wens Enthüllung eher verblüfft oder abgestoßen war. »Sie sind ein Eunuche?«
»Ich wurde vor beinahe vierzig Jahren derselben Zeremonie unterworfen, die Sie gerade gesehen haben.«
»Warum haben Sie denn so etwas getan?«
»Es war das, was ich mit meinem Leben machen wollte.«
Ni war in der Hoffnung nach Belgien geflogen, dass Pau Wen vielleicht die Antworten besaß, die er brauchte. Stattdessen stellten sich nun zahlreiche neue, verstörende Fragen.
Pau winkte ihm, den Ausstellungssaal zu verlassen und in den Hof zurückzukehren. Die Mittagsluft war warm, und die Sonne strahlte am wolkenlosen Himmel. Noch mehr Bienen schienen sich dem Überfall auf die Frühjahrsblüten angeschlossen zu haben. Die beiden Männer blieben neben einem Glaskrug von vielleicht einem Meter Durchmesser stehen. Darin schwammen leuchtend rote Goldfische.
»Herr Minister«, sagte Pau. »Zu meiner Zeit befand sich China in schrecklichem Aufruhr. Sowohl vor Maos Tod als auch danach war die Regierung visionslos und taumelte von einem gescheiterten Unternehmen zum nächsten. Keiner wagte, irgendetwas zu hinterfragen. Stattdessen traf eine kleine Elite Entscheidungen, die Millionen Menschen in Mitleidenschaft zogen. Als Deng Xiaoping das Land endlich für die Welt öffnete, war das ein kühner Schritt. Ich dachte, wir hätten vielleicht Aussicht auf Erfolg. Aber es sollte keine Veränderung geben. Der Anblick des Studenten, der sich auf dem Tiananmen-Platz ganz
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