Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)
in das Grab vorgedrungen. Das zweite Mal hatten sich siebenhundert Jahre später Plünderer Zutritt verschafft. Asche, verbrannte Stellen auf der Erde und die zerbrochenen Krieger selbst legten den Gedanken nahe, dass der erste Überfall tatsächlich stattgefunden hatte. Bisher waren nur wenige der Waffen gefunden worden, mit denen die Krieger einmal ausgerüstet gewesen waren. Aber der Grabhügel selbst war bei diesem ersten Gewaltakt nicht heimgesucht worden, und keiner wusste mit Sicherheit, ob der zweite Übergriff tatsächlich stattgefunden hatte. Pau hatte das Shiji gelesen und wusste, dass es im Inneren des Grabes möglicherweise Quecksilberflüsse und -meere gab, Teil eines kunstvollen Modells von Qins Reich. Das könnte ein Problem darstellen. In historischen Zeiten hatte man Quecksilber für eine Medizin gehalten, doch es war alles andere als das und hatte höchstwahrscheinlich zum verfrühten Tod des Ersten Kaisers beigetragen. Der Dummkopf hatte jeden Tag ein Quecksilberelixier zu sich genommen, weil er geglaubt hatte, so Unsterblichkeit zu erlangen. Doch wenn Pau andererseits den Grabhügel anschaute, der nun schon über zweitausend Jahre dort aufragte, kam es ihm so vor, als könnte Qin doch recht gehabt haben.
Hier war seine Unsterblichkeit.
Mao hatte sich persönlich sehr dafür interessiert, was hier geschah. Die Kulturrevolution lag sieben Jahre zurück. Banden von Jugendlichen, die mit ihren kleinen roten Mao-Bibeln herumfuchtelten, waren zum Glück längst Vergangenheit. Schulen und Universitäten hatten wieder geöffnet. Die Armee war zuverlässig. Der Handel war wieder aufgeblüht. Die Welt interessierte sich erneut für China. Krieger aus der Zeit des Ersten Kaisers – eine riesige, schweigende, bisher unbekannte unterirdische Armee – mochten helfen, Maos Vorhaben des nationalen Aufbaus zu befördern. Daher hatte die Regierung die Kontrolle über die Ausgrabungsstätte übernommen und sie militärisch abgeriegelt. Die Arbeiter wurden beim Kommen und Gehen durchsucht. Es war zu einigen Plünderungen gekommen, meistens waren messingene Pfeilspitzen billig verhökert worden. Man hatte mehrere Arbeiter festgenommen und würde ein Exempel an ihnen statuieren müssen. Nichts durfte das Potenzial des Fundorts in Gefahr bringen. Der Vorsitzende hatte ihm aufgetragen, alles Notwendige zu tun, um den Fundort zu schützen.
Mao vertraute ihm, und er durfte ihn nicht enttäuschen.
Daher hatte er weitere Erkundungsgrabungen befohlen.
Das Shiji machte deutlich, dass der Grabkomplex sehr vielfältig war. Die bisherigen Ausgrabungen hatten sich als fruchtbar erwiesen. Man hatte vielversprechende Gebiete identifiziert. In einem waren Pferde und Streitwagen entdeckt worden. Keine Modelle, sondern die Knochen von echten Pferden und ein richtiger Streitwagen. Was lag sonst noch hier überall in der Erde? Er konnte es sich nur vorstellen. Es würde Jahre dauern, alles zu entdecken.
»Herr Minister.«
Er drehte sich um und stand einem der Vorarbeiter gegenüber, denen er die Aufsicht über die einheimischen Arbeiter anvertraut hatte. Es waren Männer, bei denen er sich darauf verlassen konnte, dass sie für Ordnung sorgten.
»Wir haben da etwas.«
Er folgte einer Gruppe quer über die größte Ausgrabungsstätte.
Eine Leiter ragte aus einem schwarzen Loch heraus, das in die rötliche Erde gegraben worden war.
»Ich habe dort unten in der Erde Qin Shis kaiserliche Bibliothek gefunden«, berichtete Pau. »Mehrere hundert Manuskripte. Jedes unvorstellbar wertvoll.«
»Von einem solchen Fund habe ich noch nie etwas gehört«, meinte Malone.
»Der Grund dafür ist, dass ich die Fundgrube wieder verschließen ließ. Mao hat sich nicht für Manuskripte interessiert. Die Vergangenheit war ihm unwichtig, soweit sie sich nicht zur Förderung seiner Revolution nutzen ließ. Mao war ein Legalist, kein Konfuzianer – falls Sie den Unterschied verstehen.«
»Wohlwollende Herrschaft gegenüber Unterdrückung«, sagte Cassiopeia.
Pau nickte. »Das ist ein Streit, der in China seit langer Zeit ausgefochten wird.«
»Und auf welcher Seite stehen Sie?«, fragte Malone.
»Ich habe schon vielen Legalisten gedient.«
»Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
»Ich bin für das, was das Beste für China ist. Das war seit jeher meine Sorge.«
Eine Antwort war das noch immer nicht, und so versuchte Malone es erneut. »Warum haben Sie die Bibliothek wieder verschlossen?«
»Um Mao daran zu hindern, ihren Inhalt zu
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