Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
gefunden haben.«
Er zeigte ihr einen Beweisbeutel.
»Was ist damit?«
»Das sind nicht ihre. Nicht die für zu Hause.«
Lund hatte gar nicht mehr an die Schlüssel gedacht. Sie nahm den Beutel. Es waren Ruko-Schlüssel. Wie sie überall benutzt wurden.
»Die sehen anders aus als die im Rathaus«, sagte er. »Da haben sie diese verschnörkelten alten Schlösser. Ich weiß nicht …«
»Später«, sagte sie. »Geht das ein bisschen schärfer? Kann man den Fahrer näher ranholen, sodass man sein Gesicht sieht?«
»Theoretisch schon.«
»Dann lass uns das machen.«
Meyer zögerte.
»Buchard sagt doch, es ist alles überprüft worden.«
Sie zeigte auf die Berichte.
»Da drin finde ich aber nichts.«
»Du hast ihn doch gehört. Ich will mich da nicht reinhängen.«
Er setzte sich neben sie. Wirkte fast demütig.
»Ich will jetzt nicht ins Detail gehen, aber das hier …« Er sah sich im Büro um. »Das ist meine letzte Chance. Ist nicht so gut gelaufen mit ein paar anderen Jobs.«
»Ein paar?«
»Allgemein gesprochen. Ich muss den Job hier behalten. Unbedingt.«
»Hat er uns deswegen nicht aus dem Fall rausgeschmissen?«, fragte sie. »Weil er uns jetzt da hat, wo er uns haben wollte?«
Meyer sah sie aus seinen großen, traurigen Augen an.
»Ich an Buchards Stelle hätte uns längst gefeuert«, fuhr Lund fort.
»Wenn du das nächste Mal so was sagst, gib mir vorher Bescheid. Damit ich mir die Ohren zuhalten kann.«
»Da wird nichts draus. Die sind zu groß.«
»Danke. Wenn Buchard sagt, es ist überprüft worden …«
»Niemand hat das überprüft. Das glaubst du doch selbst nicht.«
Er hielt sich die Ohren zu. Nahm die Hände schnell wieder herunter und sagte: »Er kommt.«
Der Chef marschierte herein.
»Du wolltest mich sprechen?«
Lund lächelte.
»Ja. Ich wollte nur sagen, dass es mit leid tut, wegen gestern. Wir waren beide müde.«
Meyer nickte.
»Müde«, bestätigte er.
»Schon gut«, sagte Buchard. »Solange wir hier vorwärtskommen …«
Sie nickte. »Das tun wir.«
»Okay.«
Er wandte sich zum Gehen.
»Wer hat eigentlich Nannas Handy überprüft? Das Telefonbuch und die Gesprächslisten.«
Buchard erstarrte.
»Das weiß ich nicht«, sagte er.
»Könnte ja sein, dass da irgendwas auf einen der Pförtner hinweist. Vielleicht. Ich weiß es nicht.«
»Überprüf das.«
Wieder ein Lächeln.
»Mach ich«, sagte sie.
Er ging hinaus.
»Was wärst du geworden?«, fragte Lund. »Wenn du nicht Polizist geworden wärst?«
»DJ«, antwortete Meyer. »Das hab ich als Student gemacht. Und ich war richtig gut. Vom Gesicht mal abgesehen.«
Er strich sich über die unrasierten Wangen.
»Ich weiß nicht, ob ich so ganz das Aussehen dafür hab.«
Sie lachte.
»Und du?«
»Nichts«, sagte Lund. »Ich hätte nichts gemacht.«
»Ich hab einmal überlegt, ob ich mir nicht einen Hotdog-Wagen zulegen soll«, sagte Meyer. »Da ist man sein eigener Herr. Na, vielleicht mach ich’s ja demnächst. So wie das hier läuft. Lund?«
Sie war in Gedanken schon wieder woanders.
»Gar nichts«, sagte sie.
Die Überprüfung der Gesprächslisten brachte nichts. Aber zwanzig Minuten später steckte ein Kriminalbeamter den Kopf durch die Tür. Ein Taxifahrer habe sich gemeldet, nachdem die Nachtschicht noch einmal Fotos von Nanna verteilt hatte, sagte er. Der Mann glaube, sie in der Nacht, in der sie gestorben sei, gefahren zu haben.
»Das glaub ich nicht«, sagte Meyer.
»Was?«
»Das ist das erste Mal, dass jemand freiwillig was über das arme Mädchen rausrückt. Hast du das nicht gemerkt, Lund? Alle erwarten von uns, dass wir Gedanken lesen können.«
Er rieb sich das Stoppelkinn.
»Die wollen doch, dass wir den Schweinehund finden, oder?«
Die Taxifahrer hieß Leon Frevert. Ein hochgewachsener, magerer Mann Mitte vierzig. Er hatte ein langes graues Gesicht und roch nach Rauch und Schweiß. War die ganze Nacht mit seinem Taxi in der Stadt unterwegs gewesen. Er betrachtete die Fotos, die sie ihm vorgelegt hatten. »Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, dass sie’s ist.«
»Denken Sie jetzt mal nicht dran, ob sie’s war oder nicht«, forderte Meyer ihn auf. »Erzählen Sie uns einfach, was Sie wissen.«
An den Wochenenden fuhr er Taxi für eines der Unternehmen in der Stadt.
»Ich hab sie am Freitag gefahren. Wenn sie’s war. Wir haben uns ein bisschen unterhalten. Sie wollte in die Stadt. In der Grønningen hab ich sie abgesetzt, nicht weit von der Kreuzung Kongensgade.«
Eine lange
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