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Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall

Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall

Titel: Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Hewson , Soren Sveistrup
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sie kaum etwas. Niemand drängte sie. Nur einer nahm Notiz von ihnen, ein magerer Mann, der den Kopf stolz erhoben hielt, auch als er von seinem toten Sohn sprach.
    Vielleicht war es Verlegenheit, dachte Birk Larsen. Doch es kümmerte ihn nicht. Die Sozialarbeiterin hatte gesagt, er müsse hierherkommen oder wieder ins Gefängnis. Also war er gekommen und hoffte, dass es helfen würde. Was er allerdings bezweifelte, wenn er Pernilles steinerne Miene sah. Nichts half, nur Loslassen. Wissen. Eine Zwischenstation, die man hinter sich ließ. Und die schien weiter weg denn je.
    Draußen bot er Pernille an, ihr Rad in den Transporter einzuladen und sie nach Hause zu fahren.
    »Ich brauch noch ein bisschen frische Luft«, sagte sie.
    »Bist du dir sicher?«
    »Wir sehen uns später.«
    Sie schob das Rad über den Parkplatz, Richtung Straße und Vesterbro.
    Der magere Mann sprach sie an. Er hieß Peter Lassen.
    »Ich konnte dich da drin gar nicht begrüßen.«
    Sie gab ihm die Hand.
    »Hoffentlich hat’s euch was gebracht.«
    »Ja, es war gut«, sagte sie.
    Er sah sie aufmerksam an.
    »Den Eindruck hatte ich nicht.«
    Sie wollte weitergehen, blieb aber stehen.
    »Ich weiß noch, wie schwierig es beim ersten Mal war«, sagte Lassen. »Man kann zu niemandem Kontakt aufnehmen. Man denkt, der Schmerz der anderen ist anders als der eigene. Dabei ist er das gar nicht.«
    »Wenn ich was davon hören will, sag ich’s«, fertigte Pernille ihn ab.
    Sie schob das Rad weiter, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. An der Straße blieb sie beschämt stehen. Er war nett und höflich gewesen. Sie grob und bissig. Sie kehrte um, entschuldigte sich. Lassen lächelte, ein bedächtiges, weiches Lächeln.
    »Kein Problem. Kann ich dich zu einem Kaffee einladen?«
    Ein kurzes Zögern, dann sagte sie ja.
    Das Café war klein und leer. Vor ihnen auf dem Tisch Cappuccino und Cantuccini.
    »Im Januar werden’s fünf Jahre. Ich hatte Lasagne gemacht. Wir saßen am Tisch und warteten auf ihn.«
    Draußen waren Kinder, im Gänsemarsch irgendwohin unterwegs, zu einer Besichtigung vielleicht. Lassen lächelte, als sie vorüberzogen.
    »Wir hatten neue Batterien in sein Fahrradlicht eingesetzt. Die Strecke kannte er. Wir waren sie manchmal zusammen gefahren.«
    Er rührte in seinem Kaffee, von dem er nichts getrunken hatte.
    »Aber er kam nicht.«
    Noch eine Runde in der Tasse. Sie schaute zu, wie der Schaum zusammenfiel.
    »Es war ein roter Wagen. Die Polizei fand Lackspuren an einem Pedal.«
    Er schüttelte den Kopf, und zu ihrer Verwunderung lachte er.
    »Ich hab mich an die Straße gesetzt und auf einen roten Wagen mit Kratzern gewartet. Jeden Abend, um die Zeit, als es passiert war.«
    Er schwenkte seine feingliedrige, bleiche Hand.
    »Aber der Wagen kam nicht. Da hab ich mich auch tagsüber hingesetzt. Er kam nicht.«
    Sein Gesicht war wieder ernst geworden.
    »Am Ende konnte ich überhaupt nur noch dasitzen und warten. Tag und Nacht. Irgendwann kommt er, dachte ich. Dann zerre ich das Schwein raus und …«
    Seine Augen schlossen sich einen Moment, und sie sah den Schmerz in seinen Zügen, den er noch immer zu verbergen suchte.
    »Meine Frau hat versucht, mich davon abzubringen. Aber wie hätte ich aufhören können? Wie? Ich verlor meinen Job. Ich verlor meine Freunde.«
    Er schob den Kaffee und die Cantuccini von sich.
    »Und eines Tages, als ich nach Hause kam, war sie auch weg.«
    Draußen eine Frau am Bordstein, ein Kind an der Hand, im Begriff, die Straße zu überqueren. Das Alltägliche war etwas Besonderes. Für Menschen wie sie, wie Lassen, gab es nichts anderes mehr, auch kein Bedürfnis danach. Das Alltägliche war heilig, kostbarer als irgendetwas sonst.
    »Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht bereue, dass ich die Menschen, die ich liebe, habe gehen lassen. Der rote Wagen hat mir nicht nur meinen Sohn genommen. Er hat mir alles genommen, was ich hatte. Und ich hab ihn immer noch nicht gefunden. Pernille?«
    Sie wandte sich vom Fenster ab, begegnete seinem Blick.
    »Verstehst du, was ich sage?«
    »Aber du suchst immer weiter, oder? Wie soll man da vergessen? Was wäre, wenn du sie nicht hättest gehen lassen?«
    Lassen schüttelte den Kopf. Er schien enttäuscht.
    »So kannst du das nicht sehen.«
    »Aber du. Du denkst … wo ist er? Wo ist der Wagen? Du denkst ununterbrochen daran. Du kannst dir natürlich was vormachen. Du kannst versuchen, dich zu verstecken.«
    »Du musst loslassen.«
    Sie begann sich über ihn zu

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