Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
den Fall verwickelt …«
Er zuckte die Schultern.
»Was?«
»Sie versuchen das Ganze unterm Deckel zu halten. Auch Ihretwegen.«
»Was wollen Sie?«
»Wir möchten helfen. Ihnen Gelegenheit geben, Ihre Geschichte zu erzählen. Mit Ihren eigenen Worten. Nicht mit denen der Polizei. Nicht mit unseren.«
Sie versuchte, es sich vorzustellen.
»Sie wollen, dass ich über Nanna spreche?«
Er antwortete nicht.
»Was sind Sie nur für ein Mensch? Sie gehen jetzt besser. Wenn mein Mann kommt …«
»Vor drei Jahren wurde in Helsingborg ein fünfjähriger Junge vermisst gemeldet. Die Polizei tappte völlig im Dunkeln. Da haben wir ein Interview gemacht. Eine Belohnung ausgesetzt. Und der Junge wurde gefunden. Lebend. Erinnern Sie sich?«
»Sie sollten jetzt wirklich gehen.«
»Wir können Ihnen Nanna nicht zurückbringen. Aber wir können eine Belohnung für Hinweise aussetzen. Sie wollen doch sicher erfahren, was passiert ist. Bitte überlegen Sie sich’s.«
»Gehen Sie!«, schrie sie ihn an.
Der Reporter trat ins Tageslicht hinaus. Sie warf die Karte in den Papierkorb.
Theis Birk Larsen kam mit der Mütze zurück.
»Soll ich die Jungs in die Schule bringen?«
»Nein! Das haben wir doch besprochen. Warum fragst du nochmal?«
Steif und unbeholfen stand er in der Tür.
»Dann treffen wir uns in der Beratungsstelle.«
»Emil!«, rief sie mit schriller Stimme. »Ich hab dir doch gesagt, du kannst das nicht mitnehmen. Warum hörst du nie zu?«
Birk Larsen nahm sanft das Spielzeug aus Emils kleinen Händen.
»Macht’s gut, Jungs«, sagte er und tätschelte ihnen den Kopf.
Die Wohnung der Liberalen war übersät mit Markierungen der Spurensicherung. Aufklebern und Pfeilen. Nummern und Konturen. Troels Hartmann stand im Wohnzimmer neben dem Flügel. Die Anwältin war ebenfalls anwesend.
»Ich hab unten geparkt und die Tür aufgeschlossen.«
»Hat jemand Sie auf dem Weg nach oben gesehen?«, fragte Lund.
»Nicht, dass ich wüsste. Ich hab nicht darauf geachtet. Es war …«
»Was?«
»Ein Abend wie jeder andere.«
Lund wartete ab, ob er fortfahren würde. Hartmann betrachtete den zertrümmerten Tisch. Den zerbrochenen Spiegel. Das verrutschte Bettzeug auf dem Doppelbett im Schlafzimmer.
»Was ist hier passiert?«, fragte er.
»Sagen Sie mir, was Sie gemacht haben, als Sie hereingekommen sind«, sagte Lund.
»Ich hab meine Jacke aufgehängt. Ich weiß noch, dass ich Kopfschmerzen hatte. Es war eine ziemlich hektische Woche gewesen.«
Er ging zu dem Schreibtisch am Fenster. Meyer folgte ihm.
»Ich hab mich hierhergesetzt und an der Rede geschrieben, die ich halten sollte.«
»Vor wem?«
»Vor Sponsoren und Wirtschaftsleuten. Wir waren auf der Suche nach Unterstützern.«
Lund wollte wissen, was er mit dem Autoschlüssel gemacht habe. Er schaute auf den kaputten Glastisch.
»Den hab ich hierhin gelegt. Ich hab ihn ja nicht mehr gebraucht.«
»Ich versteh nicht«, sagte Meyer. »Wieso wollten Sie hier an der Rede schreiben? Wieso nicht zu Hause?«
Hartmann zögerte einen Moment.
»In anderer Umgebung denke ich anders«, sagte er dann. »Zu Hause bin ich zu stark abgelenkt. Hier …« Er sah sich im Zimmer um. Der weiße Flügel. Der Kronleuchter. Die Samttapete und das teure Mobiliar. Die Glasscherben. »Es war wie eine kleine Insel. Hier konnte ich besser nachdenken.«
»Warum haben Sie Ihrem Fahrer übers Wochenende freigegeben?«
»Weil ich ihn nicht gebraucht habe. Rie wollte fahren. Wozu sollte er hier die Zeit totschlagen?«
»Sie haben ihn also weggeschickt und einen Wagen des Wahlkampfteams genommen? Und ihn dann hier stehenlassen?«
»Ist das ein Verbrechen? Ich hab meine Rede fertig geschrieben. Gegen halb elf bin ich dann zu Rie gegangen. Das ist alles. Mehr gibt’s nicht zu sagen.«
»Das genügt«, sagte die Anwältin. »Mein Mandant hat Ihnen geholfen, so gut er konnte. Wenn Sie dann hier fertig sind …«
Lund ging ans Fenster, schaute hinaus.
»Und wie ist es dann gelaufen mit Ihrer Rede, Troels?«, fragte Meyer genervt.
»Ganz gut. Danke der Nachfrage.«
»Bitte, bitte. Sie waren also das ganze Wochenende über mit Wirtschaftsleuten und Sponsoren zusammen?«
»Ganz recht.«
Einen Moment lang wirkte er etwas verloren. Als hätte Meyer ihm eine Falle gestellt.
»Genau genommen war vor allem Rie mit ihnen zusammen. Ich bekam Grippe und lag bis Sonntag im Bett.«
Lund hatte noch eine Frage.
»Wie viel haben Sie hier getrunken?«
»Das tut nichts zur Sache«,
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