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Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall

Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall

Titel: Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Hewson , Soren Sveistrup
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Karte genau an, dann gingen sie in einen Lagerraum und setzten sich an einen Tisch. Lund hatte ihren Laptop mit dem Video dabei. Sie spielte es langsam ab, spulte zurück, wenn nötig. Nicht oft. Das Mädchen gebärdete, der Mann übersetzte.
    »Sie ist gekommen, weil er versprochen hat, ihr die Schlüssel zu geben.«
    Ein Standbild. Nanna sieht Jens Holck an. Bittend.
    »Sie will was holen, was sie vergessen hat.«
    Dittes Finger tanzten.
    »Sie will nicht, dass er mitkommt.«
    Das Mädchen hielt inne, den Blick auf den Bildschirm gerichtet.
    »Was ist?«, fragte Lund.
    Der Mann gebärdete. Ditte antwortete langsam.
    »Es ist sehr traurig. Das Mädchen sagt ihm, dass es aus ist und dass er das doch weiß.«
    »Sagt sie, was sie vergessen hat?«
    »Sie sagt, sie braucht ihren …«
    Die Hände hielten inne.
    »Was?«
    Nichts.
    »Soll ich zurückspulen?«
    Ditte gab ein leises, undefinierbares Geräusch von sich, weder Vokal noch Konsonant.
    »Nein, lassen Sie’s weiterlaufen.«
    »Sie waren übers Wochenende verreist.«
    Ditte nickte. Freute sich über irgendetwas. Wandte sich Lund zu. Ihre Finger vollkommen sicher.
    »Danach hat sie ihren Pass in der Wohnung vergessen, in einer Schublade.«
    Lund holte tief Luft.
    »Ihren Pass? Sind Sie sich sicher?«
    Ditte schaute wieder wie gebannt auf den Bildschirm.
    »Ihr Flugzeug geht am Abend«, sagte der Betriebsleiter.
    »Ihr Flugzeug? Wohin?«
    Das Mädchen schien verwirrt. Lund stoppte das Band. Ließ sie Atem schöpfen.
    »Lassen Sie sich Zeit. Wir haben keine Eile.«
    »Sie will, dass Sie weitermachen«, sagte der Mann.
    Lund tat es.
    »Der Mann fragt sie, wo sie hinwill. Aber sie bittet ihn nur um die Schlüssel. Sie sagt, sie hat jemand anderen kennengelernt. Jemanden, den sie sehr liebt. Und mit dem sie wegwill.«
    Zwei Gesichter auf dem Bildschirm. Liebe und Hass. Beide tot.
    »Er fragt sie nochmal, wohin sie will.«
    Lund schloss die Augen.
    »Und sie sagt, nach Paris. Aber Paris …«
    Ditte hielt inne. Sie schien verärgert.
    »Was ist mit Paris?«
    Wieder die Hände.
    »Es ist nicht Paris. Sie lügt.«
    »Woher wissen Sie das?«
    Sie zeigte auf das Video.
    »Das Mädchen schaut ihm nicht in die Augen.«
    Lund nickte. Die Finger flogen wieder.
    »Wie Sie, als Sie gesagt haben, Sie hätten Ihre Dienstmarke vergessen. Und Sie hätten Ihren freien Tag.«
    Das Mädchen lächelte Lund an. Stolz auf sich.
    »Ich kriege doch deswegen keine Schwierigkeiten, oder?«
    »Nein«, antwortete Lund. »Das verspreche ich Ihnen.«
    Auf der Rückfahrt in die Stadt, auf dem harten Fahrersitz von Vibekes grünem Käfer, rief sie Meyer an.
    »Nanna wollte an dem Abend wegfliegen. Wohin, hat sie nicht gesagt, da hat sie gelogen.«
    Sie hörte, wie Schriftstücke auf den Schreibtisch geklatscht wurden. Meyer hatte auf Freisprechen gestellt. Wahrscheinlich gestikulierte er genervt.
    »Bisher hat doch nichts darauf hingedeutet, dass sie wegwollte.«
    »Sie hat sich an dem Abend verabschiedet. Von ihren Eltern, von ihren Freunden in der Schule. Von Kemal. Von Holck. Das hast du ja gesehen.«
    »Hab ich das? Mit wem wollte sie denn weg?«
    »Beschaff dir alle Passagierlisten. Frag bei den Airlines nach.«
    »Kein Problem. Ich hab ja sonst nichts zu tun.«
    »Hast du dir die alten Fälle angesehen?«
    »Bin gerade dabei. Ich seh da keine Verbindung. Außer Mette Hauges Fahrrad und …«
    »Check die Abflüge und stell fest, mit wem sie fliegen wollte. Mette Hauge …«
    Es klickte.
    »Meyer?«, sagte Lund. »Meyer?«
    Nannas Zimmer sah wieder anders aus. Pernille hatte eingelenkt. Hatte ein paar von Birk Larsens Kartons geholt. Packte sorgfältig Nannas Sachen hinein. Stellte Dinge um. Veränderte Dinge. Auf Nannas Schreibtisch stand ein Globus. Sternchen markierten die Orte, die sie einmal hatte besuchen wollen. London und Rom. New York und Peking.
    Pernille betrachtete ihn. Ein einfaches Plastikteil. Stellte ihn in den Karton und ging ins Wohnzimmer zurück. Blickte um sich. Ihr ganzes Leben hatte sich hier abgespielt, Nannas Leben und das der Jungs. Alle Liebe und aller Zank. Aller Schmerz und alle Freude. An der Tür die farbigen Größenstriche der Kinder. Rot für Nanna, grün für Anton, blau für Emil. Die Markierungen der Polizei waren verschwunden. Pernille konnte sich wieder hier umsehen, ohne an die Welt draußen und an das, was dort passierte, erinnert zu werden. Das Leben stand niemals still. Es war fortwährend in Bewegung. Sonst war es kein Leben. Das hatte sie vergessen

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