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Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall

Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall

Titel: Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Hewson , Soren Sveistrup
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mich nicht getraut vorbeizuschauen, weil ich nicht wusste, was du sagen würdest, was du tun würdest, wenn du … es erfährst.«
    Birk Larsen sah ihn blinzelnd an. »Wenn ich was erfahre?«
    »Von mir. Und Nanna. Von uns. Sie hat immer gesagt, ich brauche keine Angst zu haben. Du würdest dich schon wieder erholen. Bei dir und ihrer Mama wär’s damals genauso gewesen. Dumm. Verliebt. Aber …«
    Er wischte sich mit dem Ärmel über die Augen, wie ein Kind.
    »Ich hatte trotzdem Angst, und ich dachte … Das macht alles nur noch schlimmer, oder? Wenn du weißt …«
    »Wenn ich was weiß?«
    »Dass sie mich geliebt hat. Das Ausländerkind aus der Nachbarschaft. Wir wollten durchbrennen. Und dann …«
    Er drückte Birk Larsen die Tasche in die Hände. Ein wattierter weißer Umschlag war darin. Und noch etwas.
    »Dann ist etwas … Ich weiß nicht …«
    Er löste seinen Sicherheitsgurt. Stieg aus. Blieb vor dem Tor mit dem Vorhängeschloss stehen, schaute zu der verlassenen Fabrik hinüber, die nichts bedeutete, nichts war. Birk Larsen begriff das jetzt. Der Umschlag war an ihn und Pernille adressiert. Er enthielt eine kleine digitale Videokassette. Birk Larsen sah noch einmal in die Tasche. Eine Kamera. Die Kassette passte.
    Er fand den Abspielknopf.
    Drückte ihn.
    Sein Herz setzte aus.
    Ein kalter Tag. Noch nicht lange her. Nanna in ihrer dicken Jacke, die Haare wild zerzaust. Sah ganz und gar nicht aus wie neunzehn.
    »Läuft sie schon?«, fragt sie.
    Eine Stimme von irgendwoher. Amirs Stimme. Leicht gereizt, weil er sich mit der Kamera nicht auskennt.
    »Ja.«
    »Gut«, sagt sie. Holt tief Luft, lächelt. Das Lächeln einer Frau.
    Blickt in die Kamera, und Birk Larsen gefriert das Blut in den Adern, als er die Stimme hört, die er nie wieder hören wird. So strahlend, so süß, so voller Hoffnung, dass es ihm das Herz zerreißt vor Verzweiflung über den Verlust.
    »Hallo Mama, hallo Papa«, sagt sie in frechem, fröhlichem Ton.
    Ein Zwinkern.
    »Hallo Anton und Emil, die besten Teletubbys der Welt.«
    Eine Pause, und ihr Gesicht so ernst und erwachsen, dass sich Birk Larsens schmale Augen sofort mit Tränen füllen.
    »Wenn ihr das seht, ist Montag, und ihr denkt, ich bin in der Schule. Bin ich aber nicht.«
    Sie dreht kess den Kopf zur Seite, wie sie es immer tut, wenn sie einen Streit gewinnen will.
    »Jetzt seid ihr bestimmt sauer auf mich. Aber macht euch keine Sorgen. Ich hab euch alle so lieb. Und mir geht’s gut. Mit Amir. Dem kleinen Amir.«
    Ein Achselzucken.
    »Aber das ist er jetzt nicht mehr. Mein erster Freund. Er ist im Sommer zurückgekommen. Wir haben uns getroffen …«
    Ihr Blick wandert zu dem Mann hinter der Kamera. Sie wirkt verlegen, lacht darüber hinweg.
    »Ja, also, wir hatten uns drei Jahre nicht mehr gesehen. Und dann war’s, als wär’s erst gestern gewesen. Das hast du doch immer gesagt, Mama: Wenn’s passiert, dann weiß man’s. Egal, was die Leute denken. Egal, was die Welt denkt. Wenn es passiert, wenn man den Richtigen gefunden hat, dann kann einen nichts mehr aufhalten. Und das darf man auch nicht zulassen.«
    Ein leises, tiefes Stöhnen steigt aus Birk Larsens Brust auf. Ihre blauen Augen fest auf die Kamera gerichtet, auf ihn und Pernille.
    »Eigentlich haben wir uns immer geliebt. Es hat nur eine Weile gedauert, bis wir’s uns eingestanden haben. Mama, ich glaub, du hast es die ganze Zeit gewusst. Amir hat einen Freund, bei dem können wir erstmal wohnen. Wie lange, weiß ich nicht. Bis sich alles beruhigt hat.«
    Er holt die Kamera näher heran, als glaubte er irgendwie, dass sie es ist. Die atmende Nanna. Die lebende Nanna.
    »Ihr sollt wissen, dass ich noch nie so glücklich war. Bitte … Ich hoffe, ihr könnt mir verzeihen. Aber ich glaub schon. Ihr seid doch damals auch durchgebrannt, oder? Ich weiß noch, wie du geschaut hast, Mama, als du mir’s erzählt hast. So viel Liebe.«
    Sie streckt die Hand aus, berührt den unsichtbaren Mann hinter der Kamera.
    »Wenn Amir und ich so glücklich und so lieb zueinander sein können wie ihr …«
    Sie weint jetzt, und das hatte er schon immer kaum mit ansehen können.
    »Bis bald, Mama und Papa.«
    Sie wirft ihnen eine Kusshand zu.
    »Ich hab euch lieb, Teletubbys. Ich ruf euch bald an. Ich werd euch immer liebhaben.«
    Tränen und Lachen. Die Kamera macht einen Schwenk. Eine Mauer mit Graffiti. Eine Reihe Fahrräder. Zwei Straßen von der Wohnung in Vesterbro entfernt. Er erkennt die Stelle. Dann Nanna und Amir. Sie

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