Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
jetzt öfter. Und du bist ihm was schuldig. Also lass uns nicht wieder hängen. Geh rein und zieh dich um. Wir müssen uns ranhalten.«
»Cash?«
»Ja. Cash.«
»Nichts … du weißt schon …«
»Nichts was?«
»Ich will keinen Ärger, Vagn.«
Skærbæk scheuchte ihn in den Raum mit den Schließfächern.
»Mach einfach den Job. Da drin sind noch Sachen mit deinem Namen drauf. Obwohl kein Verlass auf dich ist. Das hier ist ein Familienbetrieb, klar?«
»Familie. Verstehe.«
Die rote Arbeitskleidung hing noch da, wo der Neue sie hingehängt hatte, als er zwei Wochen zuvor hier gearbeitet hatte. Er nahm sie, warf noch einen Blick auf den Aufnäher.
Leon Frevert stand darauf.
Lund schaute die Kanäle hinauf und hinunter und fragte sich, welche Geheimnisse sie bargen. Taucher, die sich aus Schlauchbooten ins Wasser fallen ließen, waren seit zwei Stunden an der Arbeit. Andere Beamte durchsuchten das Unkraut und die Rohrkolben am Ufer. Überall standen Scheinwerfer. Even Jansen, der rothaarige Kriminaltechniker, der Lunds Anordnungen sonst so gut wie nie in Frage stellte, bekam allmählich seine Zweifel. Gegen acht, während einer Pause, in der die Taucher an eine andere Stelle verlegt wurden, kam er zu ihr und sagte: »Mit den ersten beiden der kleineren Kanäle sind wir durch. Weiß der Geier, wie viele noch übrig sind.«
»Versucht’s mit der alten Drainage. Vor zwanzig Jahren war hier fast alles Sperrgebiet. Das hat er bestimmt gewusst, und er hat’s sich zunutze gemacht.«
»Ja, es war ein Truppenübungsplatz. Da ist keiner hergekommen. Um ein Auto zu entsorgen …«
Sie hörte nur mit halbem Ohr hin. Sie versuchte sich vorzustellen, was passiert sein konnte.
»Geh nicht davon aus, dass sie in einem Auto liegt.« Sie dachte an Bengt, der hinter ihrem Rücken Nachforschungen über Mette Hauge angestellt hatte, in der Überzeugung, recht zu haben. »Nimm am besten gar nichts als gegeben an.«
Meyer hatte noch einmal mit Mettes Vater gesprochen. Sie hatte für ihren Umzug in eine Wohnung in der Stadt eine Möbelspedition beauftragt. Welche, wusste er nicht. Aber im Polizeibericht stand, ihre Sachen seien eingelagert worden, bei einer Firma namens Merkur. Die Firma existierte schon lange nicht mehr.
»Als letzte Eigentümerin war eine gewisse Edel Lonstrup eingetragen«, fuhr Meyer fort. »Ich habe eine Adresse. Vielleicht kann ich morgen …«
Es war kurz vor zehn.
»Fahren wir jetzt hin«, sagte Lund.
»Ist es nicht schon zu spät?«, fragte Meyer.
»Ja. Zwanzig Jahre.«
Lonstrup wohnte in Søborg, am Rand des Industriegebiets. Das Gebäude wirkte mehr wie ein leerstehendes Lagerhaus, nicht wie ein Wohnhaus. Die Eisentore waren offen, ebenso die Türen der heruntergekommenen Blechhütte am Ende der Einfahrt. Meyer ging hinein. Überall Kisten und verstaubter Schrott. Auf ein paar Sachen war der Name Merkur mit Schablonen aufgemalt. In einem hohen Fenster im hinteren Teil brannte Licht. Sie sahen eine Küche. Ein paar Zimmerpflanzen. Jemand wohnte hier. Ein blutleeres Gesicht tauchte hinter der Scheibe auf, eine ledrige Hand hob sich an die Wange. Die Frau schaute heraus. Mit ihrem grauen Morgenmantel und dem strähnigen, ungewaschenen Haar sah sie nicht so aus, als bekäme sie oft Besuch.
Sie setzten sich in die Küche und sahen ihr beim Essen zu. Der Raum schien aus dem Gerümpel gemacht, das sie sammelte: nicht zusammenpassende Geschirrteile, ein altersschwacher Herd, ein Uralt-Radio. Merkur hatte vor zehn Jahren dichtgemacht, nach dem Tod ihres Mannes. Sie sagte, sie habe keine Mitarbeiterliste mehr, überhaupt keine Firmenunterlagen.
»Wo ist das ganze Zeug hingekommen?«, fragte Meyer.
»Ich hab alles weggeschmissen. Wozu hätte ich es aufheben sollen? Falls es um Steuern oder so was geht, müssen Sie das auf dem Friedhof mit ihm besprechen.«
»Ist irgendeiner Ihrer Angestellten einmal zu Birk Larsen gewechselt?«
»Angestellte? In der Möbelpackerbranche? Das sind alles Zigeuner. Die haben in der einen Minute für uns gearbeitet und in der nächsten für die Konkurrenz. Weiß der Himmel, was sie noch nebenbei am Laufen hatten.«
Ihr Gesicht verhärtete sich. Eine Erinnerung.
»Deswegen hat er immer mit denen rumgehangen, statt sich um seine Familie zu kümmern. Wegen der Sauferei und den Weibern und was sonst noch so lief.«
»Birk Larsen?«
»Wer ist Birk Larsen?«
Die Frau hatte keinen Fernseher, soviel sie sehen konnten. Keine Papiere auf dem Tisch. Nichts, was die Wohnung
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