Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Kopenhagens. Seine plötzliche Erkrankung war ein Schock.
»Die Wahl, Hartmann!«, schrie jemand, als er sich der Tür näherte.
Er drehte sich um, wartete, bis der Tumult sich legte.
»Ich bin erschüttert über das, was Poul Bremer zugestoßen ist. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, über Politik zu reden.«
»Kommt dir aber doch ganz gelegen, Troels!« Eine bekannte Stimme.
Erik Salin drängte sich durch. Spiegelnde Glatze, Zigarette im Mundwinkel. Den Rekorder wie eine Waffe auf Troels gerichtet.
»Ich glaube nicht, dass ein Schlaganfall irgendjemandem gelegen kommt«, entgegnete Hartmann.
Salin sah sich ausnahmsweise einmal im Mittelpunkt.
»Bremer hat einen Beweis dafür, dass Ihr Büro die Ermittlungen im Mordfall Nanna Birk Larsen behindert hat.«
»Was für einen Beweis?«, fragte Hartmann, die Hände in den Hosentaschen. »Ich weiß nichts von einem Beweis.«
»Aber Bremer hat ihn.«
»Ich kann nicht über etwas reden, das ich nie gesehen habe.«
»Bleib ruhig, sei vernünftig«, sagte Morten Weber.
»Aber ich möchte eines absolut klarstellen: Ich würde solches Verhalten in meinem Team niemals dulden.«
Er wandte sich von Salin ab, suchte die Fernsehkameras.
»Das widerspricht allem, woran ich glaube und wofür ich stehe.« Er hob die Hand und zeigte zum Himmel. »Sollte sich je herausstellen, dass einer meiner Leute sich für so etwas hergibt, würde ich das sofort der Öffentlichkeit mitteilen. Und …« Ein kaum wahrnehmbares selbstkritisches Lächeln. »… mir Gedanken über meine Zukunft in der Politik machen.«
Er beließ es dabei, ging raschen Schritts in sein Büro. Warf sein Jackett auf einen Stuhl. Trat ans Fenster.
»Das war gut«, sagte Morten Weber. »Sehr gut.«
Das Haus der Meyers lag in Nørrebro, ein etwas heruntergekommenes Reihenhaus. Im Hof ein Basketballnetz, ein Vogelhaus, ein Christbaum, Roller, ein Kinderwagen. Lund parkte auf der Straße und stand zwei Minuten lang in der Einfahrt. Sie fragte sich, warum sie dort war. Ob es in Ordnung war. Sie hatte versucht, jemanden im Krankenhaus zu erreichen. Aber man hatte dem Personal verboten, mit ihr zu sprechen. Wahrscheinlich war es mit Hanne Meyer dasselbe.
Gestalten am Fenster. Eine blonde Frau, die ein weinendes Kind tröstete. Ein größeres Mädchen, ebenfalls blond, schaute traurig aus dem Fenster. Lund ging in den Hof und stellte sich unter den Anbau an der Garage. Die Tür stand offen. Drinnen waren noch mehr Spielsachen. Ein großes Motorrad. Im hinteren Teil eine DJ-Anlage. Nach einer Minute kam Hanne Meyer ohne die Kinder heraus und blieb mit verschränkten Armen vor ihr stehen. Ihre Augen waren verweint.
»Wie geht es ihm?«
Eine dumme Frage. Aber notwendig. Meyers Frau zuckte die Schultern. Sie war den Tränen nahe.
»Genau so wie gleich nach der Operation. Sie sagen, wenn keine Änderung eintritt …« Ein langer Blick in den grauen Himmel hinauf. »Wenn nicht bald eine Änderung eintritt, müssen wir darüber nachdenken, ihn künstlich am Leben zu erhalten. Und … ich weiß nicht.«
Sie weinte nicht. Lund war im Lauf der Jahre schon oft in ähnlichen Situationen gewesen. Nach einer Weile fanden sich alle ins Unausweichliche und konzentrierten sich auf praktische Fragen.
»Ich hab nicht getan, was die behaupten. Das schwöre ich Ihnen. Als wir hingekommen sind …«
Plötzlich aufflammender Unmut.
»Warum haben Sie ihn nicht einfach in Ruhe gelassen? Sie haben doch gesagt, der Fall sei abgeschlossen.«
»Das war er aber nicht. Das hat Jan auch gewusst.«
Keine Reaktion.
»Und er ist es immer noch nicht«, sagte Lund.
»Was geht mich das an? Womöglich muss ich morgen hinfahren und zusehen, wie er stirbt. Halte ich ihm dann die Hand? Was soll ich ihm sagen? Wissen Sie das?«
Lund schüttelte den Kopf.
»Angeblich hat er etwas wie ›Sarah‹ gesagt.«
Hanne Meyer schloss die Augen.
»Ja, er hat Ihren Namen gesagt, nicht meinen.«
»Aber er hat nie Sarah zu mir gesagt. Kein einziges Mal. Immer nur Lund. Sie müssten das eigentlich auch wissen. Oder hat er jemals Sarah gesagt, wenn er von mir gesprochen hat?«
Die Arme verschränkt, die Augen halb geschlossen.
»Er hat an was anderes gedacht. Versucht, etwas Wichtiges zu sagen. Erinnern Sie sich, was er genau gesagt hat?«
»Warum sind Sie hierhergekommen?«
»Weil ich den Mann finden will, der auf ihn geschossen hat. Den Mann, der Nanna Birk Larsen ermordet hat. Und auch andere Frauen. Ich brauche Ihre Hilfe. Ich möchte …«
»Er hat
Weitere Kostenlose Bücher