Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Dauerkrieg. Manchmal gerieten Leute ins Kreuzfeuer. Sie fragte nach Mette Hauge. Er zuckte die Schultern.
»Wir haben im selben Haus gewohnt. Das war alles. Ich hab sie nicht gekannt.«
Lund sah ihn an. Er war nervös. Wurde noch nervöser, wenn sie Anzeichen machte, ins Haus zu gehen.
»Aber Sie waren doch eine Wohngemeinschaft. Da redet man doch miteinander. In der Küche. Bei Partys.«
»Ich hab das schon vor zwanzig Jahren allen erzählt. Wir haben studiert. Ich hatte zu tun. Keinen Bock auf Drogen und den ganzen anderen Scheiß wie …«
Er brach ab.
»Haben Sie mit ihr geschlafen?«, fragte Lund.
Paludan antwortete nicht gleich.
Dann: »Wie bitte?«
»Ob Sie mit ihr geschlafen haben.«
»Nein! Wie kommen Sie denn darauf?«
»Das ist mein Job.«
»Ach ja. Dann brauche ich Ihren Namen. Und Ihre Dienststelle.«
»Hören Sie zu. Dieser Fall musste neu aufgerollt werden. Wenn Sie etwas wissen, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, es zu sagen.«
Leute kamen und gingen.
»Könnten Sie ein bisschen leiser sprechen? Ich weiß nichts.« Er schwitzte. Hatte dunkle Flecken unter den Armen. »Jeder hat mit ihr geschlafen. Okay?«
Lund hörte zu.
»Ich auch. Aber nur ein oder zwei Mal. Wahrscheinlich ist ihr das nicht mal aufgefallen.«
Lund sah ihn weiter interessiert an.
»Wir waren jung. Studenten. Es hat Partys gegeben. Sie wissen doch, wie das ist.«
»Erzählen Sie’s mir.«
Schritte im Hof. Eine alte Frau mit einem Einkaufswagen. Sie rief ihnen ein freundliches Hallo zu.
Als sie weg war, sagte Paludan: »Mette war ein bildhübsches Mädchen. Aber verrückt. Sie hat … alles gemacht. Als es hieß, sie hätte sich umgebracht …«
Er schüttelte den Kopf.
»Das war lächerlich. Eine Überdosis vielleicht, ja …«
»Sie ist nicht an einer Überdosis gestorben. Jemand hat sie erschlagen. Warum haben Sie damals nichts von all dem ausgesagt?«
Er lehnte sein Rad an die Wand.
»Weil ich Angst hatte.«
»Wovor?«
Sein Blick irrte zu dem Torbogen ab, der aus dem kopfsteingepflasterten Hof hinausführte.
»Vor denen. Mette hat mit ein paar sehr zwielichtigen Typen rumgehangen. Wenn man Dope brauchte, hat sie immer wen gewusst, der’s besorgen konnte.«
»Aus Christiania?«
»Glaub ich nicht. Wir alle haben diese Typen gekannt. Das waren welche … wie Zigeuner. Sie haben mit den Gangs rumgehangen. Vielleicht haben sie sogar dazugehört. Ich weiß es nicht.«
»Irgendwelche Namen?«
Er lachte.
»Ich hätte mich nie zu fragen getraut. Einer von denen war ihr Freund, glaub ich. Vielleicht …« Er hustete. »Vielleicht auch nicht nur der eine. Wer weiß? Mette war Mette. Ich hab niemandem erzählt, dass ich mit ihr geschlafen hab.«
»Haben Sie welche von denen kennengelernt?«
»Das ist so lange her … ich kann mich nicht mehr erinnern. Das Einzige …«
»Wir haben den Fall damals abgeschlossen«, sagte Lund. »Wir dachten, Mette wär auch nur eine von den jungen Leuten, die einfach verschwanden. Wenn Sie uns gesagt hätten, was …«
»Ich war gerade frisch verheiratet. Meine Frau war schwanger. Reicht Ihnen das?«
»Ich brauche einen Namen.«
»Ich weiß keinen. Mit den Typen war nicht zu spaßen. Einer war richtig nett zu ihr.«
Eine Erinnerung.
»Eines Tages kam sie mit so einer hässlichen Halskette daher. Mit einem schwarzen Herzchen dran. Solches Zeug scheinen die Biker zu mögen.«
Ein hochgewachsener junger Mann kam vorbei. Er sah sie an, winkte, lächelte und sagte: »Hi, Dad!«
Paludan versuchte zurückzulächeln.
»Wir waren damals alle ziemlich blöd. Mette war ein süßes Ding. Wenn ich so zurückdenke … in gewisser Weise musste es ja mal so kommen. Mein Gott …«
Er starrte Lund an.
»Schrecklich, so was zu sagen, oder?«
»Ich weiß nicht. Finden Sie?«
»Was ich sagen will … irgendwas lag in der Luft. Ich weiß nicht, was. Aber es war klar, dass das kein gutes Ende nehmen konnte.«
Er bückte sich, hob sein Rad auf den Ständer, schloss es mit einer Kette an.
»Das ist wahrscheinlich auch ein Grund, warum ich nie darüber geredet habe. Ich hab’s kommen sehen. Und konnte nichts dagegen tun.«
Bülow war außer sich. Er hatte das Kennzeichen von Bengt Roslings Leihwagen und gab durch, dass Lund ins Präsidium kommen solle. Diesmal ohne Aussicht auf Freilassung. Er stand vor Brix’ Büro und warf mit Drohungen um sich wie ein Clown auf einem Kindergeburtstag mit Bonbons.
»Sollte sich herausstellen, dass Sie davon wussten …«
»Ich wusste es
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