Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
sinken.
»Ach, verdammt. Du hast ihm nicht gesagt, dass ich noch bis Freitag arbeite?«
»Doch, natürlich! Soll ich ihn belügen?«
Lund schob den Teller weg, holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank, ging in ihr Zimmer und rief ihn an.
Bengt Rosling wurde nicht wütend. Niemals. Das brachte er nicht fertig. Oder es war unter seiner Würde. Sie wusste es nie so recht. Sie sprachen über Partys und Polarkiefer und plauderten über Belangloses, als wenn nichts wäre. Als wäre alles in Ordnung. Er wusste nicht, dass sie auf ihrem Computer die Nachrichten verfolgte, während sie mit ihm redete. Sie hatte den Ton leise gestellt. Es ging nur um Hartmann.
Am Freitag würde sie in Schweden sein. Mit Mark, für kurze Zeit auch mit ihrer Mutter. Das neue Leben würde beginnen. Die Vergangenheit würde versinken. Kopenhagen und Carsten. Die Dienstmarke des Vicekriminalkommissær.
Nach dem Gespräch fühlte sie sich besser und legte beschwingt das Telefon weg. Doch im nächsten Moment fiel ihr ein, was sie vergessen hatte. Bevor Sie wählen konnte, klingelte das Handy. Das musste Bengt sein. Sie drückte die Taste und sagte ganz bewusst: »Ich liebe dich.«
»Wow! Freut mich zu hören.«
Meyer. Aus dem Auto. Sie konnte sich vorstellen, wie der Wagen viel zu schnell durch den schwarzen Regen fuhr. Käseflips auf dem Beifahrersitz. Kaugummi und Zigaretten.
»Was willst du?«
»Ich sollte dich anrufen wegen der Klinik!« Er tat gekränkt. »Lynge ist Freitagnachmittag ins Krankenhaus gekommen.«
»Für wie lange?«
»Am nächsten Tag um sieben Uhr morgens war er immer noch drin. Der Idiot ist heroinsüchtig. Hatte wohl Probleme mit dem Methadon oder so was.«
Troels Hartmann im Fernsehen. Wurde fast handgreiflich gegen einen großmäuligen Reporter. Ein simple Frage hatte ihn ausrasten lassen: Schließen Sie aus, dass sie aus wahltaktischen Gründen Informationen zurückhalten?
Sie hatte Hartmann für einen besonnenen, vernünftigen Mann gehalten.
»Und wenn er sich heimlich rausgeschlichen hat?«
Pause. Laute Kaugeräusche.
»Der war ständig unter Aufsicht. Hatte Medikamente bekommen. War die ganze Nacht da.«
»Kannst du nicht noch warten mit den Flips? Wenn du wieder den ganzen Wagen …«
»Entschuldige, aber ich hab den ganzen Tag nichts gegessen.«
»Habt ihr Nannas Fahrrad gefunden?«
»Nein.«
»Und was ist mit ihrem Handy?«
Das war ebenfalls in Hartmanns Wagen gewesen. Seltsamerweise.
»Die Techniker sind noch dran«, sagte Meyer. »Der letzte Anruf ist von Freitag. Kam möglicherweise aus dem Gymnasium. Ist aber nicht sicher.«
»Okay, wir fahren morgen früh hin.«
»Nein, Lund, ich glaub nicht, dass du mitfährst.«
»Warum nicht?«
Er aß immer noch seine Flips. Sie hörte ihn kauen, auf seine hektische Art, als würde er nie wieder welche bekommen.
»Warum nicht?«
»Ich hab zufällig Buchard getroffen. Hartmann will eine Besprechung. Es geht um dich.«
Sie überlegte.
»Geh jetzt schlafen. Und vergiss nicht deinen Bericht.«
»Danke. Schlaf auch gut, Schatz.«
»Ha, ha.«
»Lund? Überleg dir’s. Hartmann hat nicht dich angerufen wegen dem Meeting. Sondern Buchard. Oder vielleicht sogar …« Das Knirschen trieb sie zum Wahnsinn. »… noch weiter oben. Wir haben jetzt Politiker am Hals. Ich wette, die rufen alle bei unseren Vorgesetzten an und versuchen, Scheiße über uns auszukippen. Na, schlaf erstmal drüber.«
Während ihre Mutter die Küche aufräumte, verfolgte Sarah Lund die Nachrichten auf ihrem Computer. Und beobachtete Troels Hartmann sehr genau, Sekunde für Sekunde.
Viertes Kapitel
MITTWOCH, 5. NOVEMBER
Hartmann traf kurz nach neun im Präsidium ein und kam geradewegs in Lunds Büro. Setzte sich in die helle Wintersonne, die durch das schmale Fenster gegenüber ihr und Buchard hereinschien. Die intelligente, strenge Rie Skovgaard saß neben ihm und ließ sich kein Wort entgehen.
»Ich hätte mir den ganzen Mist gestern Abend sparen können«, sagte er. »Wenn ich das Richtige getan und sofort ein Pressemitteilung rausgegeben hätte. Bevor jemand bei Ihnen geplappert hat.«
Das war Politik, eine Welt, von der sich Lund vor dem Birk-Larsen-Fall immer hatte fernhalten können. Sie fühlte sich auf unbekanntem Terrain. Aber sie fand es interessant. Der Chef beugte sich vor, sah Hartmann in die Augen und sagte: »Wir haben nichts rausgegeben, das garantiere ich Ihnen.«
»Hat der Fahrer gestanden?«, fragte Hartmann.
Lund schüttelte den Kopf.
»Nein. Und er
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