Das Verbrechen von Orcival
Untersuchungsrichter und Vater Plantat tauschten überraschte Blicke.
»Wenn er schuldig ist«, murmelte der Friedensrichter, »warum zum Teufel ist er dann zurückgekommen?«
Man brauchte einige Zeit, um die Neugierigen wieder auf den Hof zu drängen; nachdem dies dem Brigadier der Gendarmerie mit Hilfe seiner Leute gelungen war, stellte er sich wieder neben Guespin auf, da es ihm höchst unklug vorkam, unbewaffnete Leute mit solch einem Verbrecher allein zu lassen.
Doch der Mann war in diesem Moment alles andere als gefährlich. Seine überreizte Anspannung erlosch wie ein Strohfeuer, seine Muskeln entkrampften sich, und sein Aufbegehren schien der Resignation zu weichen.
Inzwischen berichtete der Brigadier, was vorgefallen war.
»Einige Dienstboten vom Schloà und von den benachbarten Gütern erörterten vor dem Tor das Verbrechen der vergangenen Nacht und Guespins Verschwinden, als man auf dem Weg seelenruhig den daherspazieren sah, von dem eben die Rede gewesen war. Er schwankte und grölte wie ein Betrunkener.«
»War er wirklich betrunken?« fragte Monsieur Domini. »Sternhagelvoll, Monsieur«, erwiderte der Brigadier.
»Dann haben wir es vielleicht dem Wein zu verdanken, daà er sich uns ausgeliefert hat«, murmelte der Untersuchungsrichter.
»Als François, der Kammerdiener des verblichenen Comte, und Baptiste, der Bedienstete des Herrn Bürgermeisters, den Schwankenden bemerkten«, berichtete der Brigadier weiter, für den auf Guespins Schuld nicht der Schatten eines Zweifels fiel, »haben sie ihn gepackt. Er war so betrunken, daà er zunächst glaubte, sie wollten sich einen Spaà mit ihm machen. Das Auftauchen eines meiner Männer hat ihn dann nüchtern gemacht. In diesem Augenblick schrie eine Frau: âºElender Spitzbube! Du hast heute nacht den Comte und die Comtesse ermordet!â¹ Daraufhin ist er kreidebleich geworden und wie vom Donner gerührt stehengeblieben. Dann hat er mit einemmal so heftig um sich geschlagen, daà er ohne mein Eingreifen entkommen wäre. Oh, er ist kräftig, dieser Halunke, obwohl man es ihm nicht ansieht!«
»Und er hat kein Wort gesagt?« fragte Vater Plantat.
»Kein Wort, Monsieur. Er hat ja vor lauter Wut die Zähne so zusammengebissen, daà kein Wort mehr herauskam. SchlieÃlich also haben wir ihn überwältigt. Ich habe ihn durchsucht, und das alles habe ich in seinen Taschen gefunden: ein Taschentuch, ein Obstmesser zum Bäumeverschneiden, zwei Schlüssel, einen Wisch mit Zahlen und Buchstaben und der Adresse des Geschäftes Alles für den Schmied . Aber das ist noch nicht alles...« Der Brigadier machte eine Pause und blickte seine Zuhörer nacheinander geheimnisvoll an. »Das ist noch nicht alles. Während wir ihn herbrachten, versuchte er sein Portemonnaie wegzuschmeiÃen. Ich habe das zum Glück bemerkt und es wieder aufgehoben. Hier ist es. Drinnen sind ein Schein zu hundert Francs, drei Goldlouis und sieben Francs in Münzen. Nun, gestern hatte der Kerl noch keinen Sou...«
»Wieso wissen Sie das?« fragte Monsieur Courtois.
»Na ja, Herr Bürgermeister, François hat mir erzählt, daà er sich gestern von ihm fünfundzwanzig Francs geborgt hat.«
»Man hole François her!« befahl der Untersuchungsrichter.
»Wissen Sie, ob Guespin gestern Geld bei sich gehabt hat?« fragte er ihn, als der Kammerdiener hereingekommen war.
»Er hatte so wenig bei sich«, erwiderte, ohne zu zögern, der Dienstbote, »daà er mich gebeten hat, ihm fünfundzwanzig Francs zu leihen. Er habe nicht einmal so viel, um die Eisenbahnfahrt bezahlen zu können. Anderenfalls müsse er eben hierbleiben.«
»Aber er muÃte sich doch etwas zurückgelegt haben, zum Beispiel hundert Francs, die er doch nur zu wechseln brauchte.«
François schüttelte ungläubig lächelnd den Kopf.
»Guespin ist nicht der Mann, der sich etwas beiseite legt«, sagte er. »Frauen und Karten verschlingen bei ihm alles. Erst letzte Woche hat ihm der Caféhausbesitzer Vorhaltungen gemacht, was er ihm alles schulde. Falls er nicht bald seine Schulden bezahle, so drohte er, würde er sich bei dem Comte beschweren.« Und da er den negativen Eindruck, den seine Worte hervorgerufen haben mochten, etwas korrigieren wollte, fügte er schnell hinzu: »Ich sage das nicht, um Guespin schlechtzumachen; ich selbst habe
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