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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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muß es leider sagen, allzuschnell abgewöhnen.«
    Â»Und die Comtesse?« fragte ihn Vater Plantat in einem Tonfall, der zu naiv war, um nicht ironisch zu sein.
    Â»Berthe!« erwiderte der Bürgermeister. »Sie bat mich, sie so zu nennen, Berthe, ich habe nie aufgehört, sie ein ums andere Mal Madame Courtois als Vorbild hinzustellen. Berthe! Sie war eines Sauvresy und eines Hectors würdig, die beiden würdigsten Männer, die mir in meinem Leben begegnet sind!«
    Und da er bemerkte, daß seine Begeisterung die Zuhörer überraschte, fuhr er etwas gedämpfter fort:
    Â»Ich habe meine Gründe, so zu reden, und ich scheue mich nicht, es gegenüber Leuten zu erwähnen, deren Beruf, mehr noch, deren Charakter mir Diskretion garantiert. Sauvresy hat mir zu Lebzeiten einen großen Dienst erwiesen..., als ich mich entschlossen hatte, Bürgermeister zu werden. Was Hector anging, so glaubte ich, daß er von seinen Jugendsünden ein für allemal geheilt sei, und da ich meinte, bemerkt zu haben, daß er Laurence, meiner Ältesten, nicht ganz gleichgültig war, hoffte ich insgeheim auf eine Verbindung, die den großen Namen der Trémorels vergolden würde, denn meine Tochter hätte eine beträchtliche Mitgift erhalten. Allein die Ereignisse haben meine Pläne durchkreuzt.«
    Der Bürgermeister hätte noch lange ein Loblied auf das Paar Trémorel singen können und dabei sein Licht nicht unter den Scheffel gestellt, wenn nicht der Untersuchungsrichter das Wort ergriffen hätte.
    Â»Wir werden das alles festhalten«, begann er, »dennoch scheint mir im Augenblick...«
    Er wurde von einem Lärmen unterbrochen, das aus dem Vestibül hereindrang. Es klang wie ein Kampf, und das Geschrei und Getobe erreichten den Salon.
    Man sprang empor.
    Â»Ich weiß, was das bedeutet«, sagte der Bürgermeister, »ich weiß es nur zu gut. Soeben hat man den Leichnam des Comte de Trémorel gefunden.«
    * * *
    D er Herr Bürgermeister irrte sich.
    Die Tür zum Salon wurde aufgerissen, und vor ihnen tauchte ein Mann auf, auf der einen Seite von einem Gendarmen, auf der anderen von einem Dienstboten festgehalten, ein hagerer Mann, der sich wütend und mit einer Energie verteidigte, die man bei ihm kaum vermutet hätte.
    Das Gerangel mußte bereits einige Zeit gedauert haben, denn seine Kleider waren unordentlich. Sein Gehrock war eingerissen, seine Krawatte baumelte offen, der Kragenknopf war ihm abgerissen worden, und sein offenes Hemd ließ die nackte Brust sehen. Er hatte seine Kopfbedeckung verloren, und die langen schwarzen und glatten Haare fielen ihm wirr ins angstverzerrte Gesicht.
    Vom Vestibül und Hof aus hörte man Geschrei, das von den annähernd hundert Schaulustigen, die vor dem Gitter lauerten, ausging. Diese wütende Menge schrie in einem fort: »Er ist es! Tod dem Mörder! Guespin! Er ist es gewesen!«
    Der Mann verteidigte sich noch immer und schlug um sich.
    Â»Hilfe!« schrie er mit rauher Stimme. »Laßt mich los, ich bin unschuldig!«
    Er hatte sich an die Tür des Salons geklammert.
    Â»Stoßt ihn doch vorwärts!« befahl der Bürgermeister, auf den die Aufregung der Menge übergriff. »Stoßt ihn vorwärts!«
    Das war leichter zu befehlen als auszuführen. Der Schreck verlieh Guespin übernatürliche Kräfte. Doch der Doktor hatte die Idee, die zweite Flügeltür des Salons zu öffnen, und da dem Mann jetzt die Stütze fehlte, fiel er vor dem Tisch zu Boden, an dem der Untersuchungsrichter saß und sich Notizen machte. Er war sofort wieder auf den Beinen und suchte nach einer Möglichkeit, zu entkommen. Und da er diese nicht entdeckte, denn die Fenster waren von Neugierigen und die Tür von den Dienstboten gesäumt, ließ er sich in einen Sessel fallen.
    Auf dem bleichen Gesicht zeichneten sich bläulich die Schläge ab, die er im Kampf erhalten hatte; seine Lippen zitterten; seine schreckgeweiteten Augen waren blutunterlaufen, und sein Körper krampfte sich unwillkürlich zusammen. Der Anblick war so überraschend und erschreckend, daß der Herr Bürgermeister von Orcival glaubte, ein Lehrstück an Moral geben zu müssen. Er wandte sich zu der an der Salontür drängenden Menge und sagte in emphatischem Ton:
    Â»Das ist das Antlitz des Verbrechers!«
    Die im Raum befindlichen Personen, der Doktor, der

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