Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
Vom Netzwerk:
Notwendigkeit ebendieser Mittel nicht in Frage stellt. Während er Monsieur Lecoq zuhörte, konnte er nicht umhin, ihm beizupflichten, und trotzdem schaute er ihn nicht gerade freundlich an. »Da Sie nun einmal schon soviel wissen«, sagte er trocken, »können wir ja nun damit beginnen, den Schauplatz des Verbrechens in Augenschein zu nehmen.«
    Â»Ich stehe dem Herrn Untersuchungsrichter gern zur Verfügung«, erwiderte der Polizeibeamte lakonisch.
    * * *
    M onsieur Lecoq stieg als erster die Treppe empor, und sofort fielen ihm die Blutspuren auf.
    Â»Oh!« meinte er und zog die Augenbrauen in die Höhe. »Oh! Oh, die Unglücklichen!« sagte er bei jedem neuen Fleck.
    Monsieur Courtois war sehr angenehm überrascht, bei einem Polizeiagenten dieses Mitgefühl zu sehen. Er meinte, diese Anteilnahme sei den Opfern geschuldet. Er irrte sich, denn Lecoq fuhr fort, als er die Treppe weiter hochstieg: »Diese Elenden! Man verschmiert doch nicht das ganze Blut im Haus, und wenn, wischt man es wieder ab. Man geht da vorsichtig vor, zum Teufel!«
    Im ersten Stock angekommen, blieb der Beamte in der Tür stehen und prägte sich die Einzelheiten des vor dem Schlafraum liegenden Zimmers ein. Nachdem er gesehen hatte, was er sehen wollte, ging er weiter und sagte:
    Â»Gehen wir weiter! Einstweilen tappe ich noch völlig im dunkeln.«
    Â»Aber mir scheint«, bemerkte der Untersuchungsrichter, »daß wir schon Ansatzpunkte haben, die Ihre Aufgabe besonders erleichtern dürften. Klar ist doch, daß Guespin, wenn schon nicht an dem Verbrechen beteiligt, zumindest davon Kenntnis haben mußte.«
    Â»Ich weiß«, erwiderte er, »Guespin steckt tief in der Tinte. Warum will er nicht sagen, wo er die Nacht verbracht hat? Andererseits hat er die öffentliche Meinung gegen sich, und natürlich traue ich ihm auch nicht.«
    Der Polizeibeamte stand allein inmitten des Zimmers – die anderen Personen hatte er gebeten, auf der Türschwelle zu warten – und blickte mit seinem matten Blick um sich, er suchte nach etwas Besonderem in der schrecklichen Unordnung.
    Â»Dummköpfe!« sagte er mit irritierter Stimme. »Nein, wirklich, so arbeitet man doch nicht. Das gibt doch keinen Sinn, daß man bei Leuten, die man tötet, bevor man sie bestiehlt, alles kurz und klein schlägt. Zum Teufel, man zerhackt doch keine Möbel! Man hat doch Dietriche bei sich, hübsche Dietriche, die keinerlei Lärm machen, dafür aber ausgezeichnete Resultate ergeben. Tölpel! Idioten! Ich würde nicht denken, daß...«
    Da blieb er mit offenem Mund stehen.
    Â»Aha!« meinte er. »Vielleicht doch nicht solche Tölpel...«
    Die Zeugen dieser Szene standen unbeweglich an der Eingangstür und verfolgten mit einem Interesse, in das sich ein gehöriger Schuß Überraschung mischte, die Bewegungen – man war versucht zu sagen, die Übungen – von Monsieur Lecoq.
    Auf dem Teppich kniend, tastete er mit der flachen Hand den Teppich zwischen den Porzellanscherben ab.
    Â»Feucht, sehr feucht, sie müssen kaum Tee getrunken haben, als das Porzellan entzweiging.«
    Â»Es konnte noch viel Tee in der Teekanne sein«, gab Vater Plantat zu bedenken.
    Â»Ich weiß«, antwortete Monsieur Lecoq, »genau das habe ich mir auch eben gedacht. Jedenfalls genügt die Feuchtigkeit nicht, um uns den genauen Zeitpunkt des Verbrechens zu verraten.«
    Â»Aber die Uhr verrät ihn uns doch, und zwar sehr exakt!« schrie Monsieur Courtois.
    Â»In der Tat«, pflichtete Monsieur Domini bei, »der Herr Bürgermeister erklärt in seinem Protokoll sehr gut, daß sie nach dem Herunterfallen stehengeblieben ist.«
    Â»Aber genau diese Zeitangabe auf der Uhr ist mir komisch vorgekommen!« erwiderte Vater Plantat. »Die Zeiger standen auf drei Uhr zwanzig, und wir wissen, daß die Comtesse gekleidet war wie für den Tag, als man sie niedergeschlagen hat. Sollte sie um drei Uhr noch auf sein und völlig angekleidet eine Tasse Tee trinken? Wenig wahrscheinlich.«
    Â»Auch mir ist dieser Umstand verdächtig vorgekommen«, sagte der Beamte der Sûreté, »und genau deswegen habe ich vorhin gesagt: Doch keine Tölpel. Aber wir werden das gleich haben.«
    Und sogleich hob er die Uhr unendlich vorsichtig auf und stellte sie auf den Kaminsims, wobei er darauf achtete, daß sie lotrecht stand.
    Â»Drei Uhr

Weitere Kostenlose Bücher