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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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hierlassen...«
    Â»Ach, mein Gott!« schrie die arme Frau und rang die Hände. »Ach, mein Gott!«
    Doch die Furcht vor einem neuerlichen Unglück, das nun ihren Mann betreffen könnte, gab ihr ein wenig von ihrer Geistesgegenwart zurück, sie rief nach den Dienstboten, die Monsieur Courtois behilflich waren, sein Zimmer zu erreichen. Dann stieg sie mit Doktor Gendron nach oben.
    So blieben nur drei Personen im Salon zurück, der Friedensrichter, Monsieur Lecoq und, immer noch neben der Tür stehend, Robelot der Quacksalber.
    Â»Arme Laurence«, murmelte der Friedensrichter, »armes Mädchen.«
    Â»Mir scheint«, bemerkte der Polizeiagent, »in erster Linie ist wohl ihr Monsieur zu beklagen. In seinem Alter einen solchen Schlag – möglich, daß er sich davon nicht wieder erholt. Was auch geschehen mag, er wird davon gezeichnet sein.«
    Â»Ich hatte«, ergriff der Friedensrichter wieder das Wort, »so etwas wie eine Vorahnung dieses Unglücks. Ich hatte sogar das Geheimnis von Laurence vermutet, unglücklicherweise hatte ich es zu spät vermutet.«
    Â»Und Sie haben nicht versucht...«
    Â»Was denn? Bei diesen delikaten Umständen hängt die Ehre einer ehrwürdigen Familie doch nur von einem Wort ab, dazu braucht man Fingerspitzengefühl. Was sollte ich machen. Courtois warnen? Nein, unmöglich. Er hätte sich geweigert, mir zu glauben. Er gehört zu diesen Menschen, die nur glauben, was sie glauben wollen.«
    Â»Man hätte den Comte de Trémorel zur Rede stellen können.«
    Â»Der Comte hätte alles abgestritten. Er hätte mich gefragt, mit welchem Recht ich mich in seine Angelegenheiten mische. Ein Eingreifen hätte schlichterdings eine Entzweiung mit Courtois bedeutet.«
    Â»Aber die junge Dame?«
    Â»Vater Plantat seufzte tief auf.
    Â»Obwohl es mir widerstrebt, mich in fremde Angelegenheiten zu mischen«, antwortete er, »habe ich einmal doch versucht, mit ihr zu reden. Ohne ihr zu verstehen zu geben, daß ich alles wußte, habe ich versucht, ihr den Abgrund auszumalen, in den sie rennen würde.«
    Â»Und was hat sie geantwortet?«
    Â»Nichts. Sie hat darüber gelacht, ihre Witze gemacht, wie es nur die Frauen, die ein Geheimnis zu wahren wissen, verstehen. Und später war es mir unmöglich, einmal eine Viertelstunde mit ihr allein zu sprechen. Vor dieser Unbedachtheit meinerseits – denn Sprechen war eine Unbedachtheit, die Handeln verlangte – war ich ihr bester Freund gewesen. Es verging kein Tag, an dem sie nicht bei mir vorbeischaute und mein Gewächshaus plünderte. Ich ließ sie meine seltensten Petunien pflücken, ich, der ich nicht mal für den Kaiser eine Blume übrig hätte...«
    Der Friedensrichter hielt inne, da er ein Geräusch vernahm.
    Er drehte sich um und gewahrte Robelot, den Quacksalber. Sein Gesicht drückte heftige Mißbilligung aus.
    Â»Sie hier?« fragte er.
    Der Quacksalber lächelte untertänig.
    Â»Ja, Herr Friedensrichter, ganz zu Ihren Diensten.«
    Â»Das heißt, Sie haben uns zugehört.«
    Â»O nein, deswegen bin ich nicht hier, Herr Friedensrichter, ich warte auf Madame Courtois, um sicherzugehen, daß sie nichts mehr braucht.«
    Ein plötzlicher Gedanke schoß Vater Plantat durch den Kopf, sein Gesichtsausdruck änderte sich; er machte Lecoq ein Zeichen, wie um diesen auf etwas hinzuweisen, und wandte sich mit entschieden freundlicherer Stimme an den Heilkundigen:
    Â»Kommen Sie doch näher, Meister Robelot.«
    Mit einem raschen Blick hatte Monsieur Lecoq den Mann ab- und eingeschätzt.
    Der Heilpraktiker von Orcival war ein kleiner und kränklich aussehender Mann, der jedoch in Wirklichkeit von erstaunlicher Kraft war. Seine bürstenartig geschorenen Haare umrahmten eine breite und intelligente Stirn. In seinen hellen Augen flammten alle Feuer der Begehrlichkeit, und wenn er sie nicht unter Kontrolle hatte, drückten sie einen wilden Zynismus aus. Ein geringschätziges Lächeln spielte um seine schmalen Lippen, die auch nicht durch den Anflug eines Bartes beschattet wurden.
    Mit seiner geringen Größe und dem bartlosen Gesicht ähnelte er ein wenig den rüden Gassenjungen von Paris. Auf die Aufforderung des Friedensrichters hin kam er lächelnd und sich verbeugend näher.
    Â»Sollte der Herr Friedensrichter«, sagte er, »mich zufällig

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