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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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Nuancen und Regungen des Täters wieder.
    Â»Als er den Körper seiner Frau derart entsetzlich zugerichtet hatte, ließ sich der Comte in einen Sessel fallen. Woran denkt er jetzt? Sicher an die nutzlos vertanen Stunden und die wenigen Stunden, die ihm jetzt noch bleiben. Er hat nichts gefunden. Er denkt daran, daß er bis Tagesanbruch noch die falschen Spuren legen muß, um seine Unschuld zu beweisen und seinen Tod vorzutäuschen. Und er muß flüchten, so schnell wie möglich, ohne das verfluchte Schriftstück. Er reißt sich zusammen, steht auf, und wissen Sie, was er nun macht? Er greift zu Schere und Rasiermesser und schneidet sich seinen langen Bart ab.
    Â»Aha«, unterbrach ihn Vater Plantat, »deswegen haben Sie sich so eingehend das Porträt angeschaut.«
    Â»Stellen Sie sich den Comte de Trémorel vor«, fuhr er fort, ohne auf den Einwand des Friedensrichters zu achten, »bleich, mit dem Blut seiner Frau beschmiert, wie er vor dem Spiegel steht und sich rasiert, den Schaum auf die Wangen streicht in dem Zimmer, wo drei Schritte von ihm in dem Durcheinander der noch warme Leichnam liegt. Es sind gerade diese vulgären Details, die in ihrer Trivialität so erschreckend sind. Sich im Spiegel betrachten zu müssen, neben sich die Leiche, das ist, wissen Sie, ein Zeichen von erschreckender Energie, zu dem nur wenige Delinquenten fähig sind. Zudem muß die Hand des Comte entsetzlich zittern, so daß er sich gewiß einige Schnitte beigebracht haben muß.«
    Â»Wie!« rief der Doktor. »Sie vermuten, daß der Comte seine Zeit damit vertan hat, sich zu rasieren?«
    Â»Dessen bin ich mir völlig sicher«, antwortete Monsieur Lecoq, »völlig sicher«, fügte er hinzu, wobei er jede Silbe betonte.
    Â»Eine Serviette wies Spuren des Rasiermessers auf, das man abgewischt hatte. Dieses Detail wies auf andere: Ich fand im Badezimmer zwei Rasiermesser, beide trocken beziehungsweise sorgfältig abgewischt, an einem klebte allerdings an der Knickstelle eine winzige Idee von Seifenschaum. Und von den drei Rasierpinseln war einer noch feucht. Sollte Sie das nicht überzeugen, lasse ich gern aus Paris zwei meiner Männer kommen, die Schloß und Park noch einmal gründlich absuchen. Ganz sicher werden sie dann irgendeine Spur des abrasierten Bartes oder die Tücher finden, an denen man das Rasiermesser abgewischt hat.
    Falls Sie der Gedanke überraschen sollte, mein lieber Doktor, so finde ich ihn dagegen ganz natürlich, ja ich würde sogar behaupten, er ist letztlich für den Plan des Comte notwendig.
    Monsieur de Trémorel hat immer einen Bart getragen. Nun rasiert er ihn ab, und sein Aussehen ist dadurch derart verändert, daß ihn vorerst niemand erkennen wird.«
    Der Doktor schien überzeugt zu sein von dem Gesagten, denn er brummte so etwas wie: »Hmhm, jaja.«
    Â»Nachdem das geschehen ist«, fuhr der Polizeibeamte fort, »beeilt sich der Comte, die Dinge so zu arrangieren, daß Sie in die Irre geführt werden, er will also den Eindruck vermitteln, daß er zur gleichen Zeit wie seine Frau von einer Mörderbande umgebracht wurde. Zunächst holt er eine Weste von Guespin. Er reißt einen Fetzen von der Seitentasche ab und drückt ihn der Comtesse in die Hand.
    Dann nimmt er den Leichnam auf den Arm und trägt ihn die Treppe hinab. Die Wunden hinterlassen überall Blutspuren. Am Fuße der Treppe angekommen, geht er durch den Salon, muß jedoch vor der Balkontür den Leichnam absetzen, um die Tür zu öffnen. Das erklärt den großen Blutfleck. Durch die offene Tür trägt der Comte den leblosen Körper bis zur Rasenrabatte. Ab dort zieht er ihn unter den Achseln über den Rasen, wobei er rückwärts geht und den Eindruck vermitteln will, sein eigener Körper wäre dergestalt über die Wiese geschleift und anschließend in die Seine geworfen worden. Er hat dabei allerdings zwei Dinge nicht bedacht, die ihn verraten. Er hat nicht berücksichtigt, daß die Röcke der Comtesse beim Schleifen eine breite Spur geknickter und niedergedrückter Gräser hinterlassen. Er hat ferner nicht daran gedacht, daß seine eleganten Schuhe mit den hohen Absätzen im feuchten Erdreich deutliche Spuren hinterlassen.«
    Vater Plantat erhob sich.
    Â»Aha!« unterbrach er den Detektiv. »Davon haben Sie mir ja gar nichts gesagt.«
    Monsieur Lecoq schenkte

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