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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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vorsichtig.
    Er zeigt allen das Bündel mit Banknoten, er stellt sie förmlich zur Schau, die Bediensteten sehen sie, ja berühren sie fast; er will, daß jedermann weiß und es später auch erzählen kann, daß er eine beträchtliche Summe im Hause hat. Und er zeigt das Bündel mit Banknoten natürlich erst zu dem Zeitpunkt, da jeder in der Nachbarschaft weiß, daß er die betreffende Nacht mit Madame de Trémorel allein im Schloß sein wird.
    Denn er weiß natürlich, daß alle seine Dienstboten am Abend des 8. Juli zur Hochzeit der ehemaligen Köchin, Madame Denis, eingeladen sind. Er weiß das so genau, da er selbst die Kosten der Zeremonie übernommen und den genauen Tag festgelegt hat, als ihm Madame Denis ihren künftigen Gatten vorgestellt hatte.
    Sie werden mir möglicherweise vorhalten, daß diese Summe – die von einer Kammerfrau als gewaltig bezeichnet wurde – genau am Vorabend des Verbrechens nach Valfeuillu geschickt wurde. Das könnte man notfalls annehmen. Aber glauben Sie mir, in solchen Dingen gibt es keine Zufälle. Wir können morgen den Bankier von Monsieur de Trémorel aufsuchen und ihn fragen, ob der Comte ihn nicht gebeten hat, schriftlich oder mündlich, ihm das Geld genau an diesem Tag, dem 8. Juli, zu schicken.
    Nun, meine Herren, wenn uns das dieser Bankier bestätigt, uns vielleicht gar einen Brief mit der Bitte zeigt oder uns sein Ehrenwort darauf gibt, daß man das Geld für diesen Tag von ihm verlangt hat, dann werden Sie zugeben müssen, daß das mehr als nur eine Wahrscheinlichkeit zugunsten meiner Version ist.«
    Vater Plantat und Doktor Gendron nickten.
    Â»Nun«, fragte der Mann von der Präfektur, »bis hierher keine Einwände?«
    Â»Mitnichten«, antwortete der Friedensrichter.
    Â»Dann Guespin. Sagen wir es frei heraus, seine Haltung ist undurchsichtig und rechtfertigt gewiß seine Festnahme. Ist er in die Tat verwickelt? Ist er völlig unschuldig? Nun, wir können nichts dafür und nichts dagegen beweisen, denn ich habe kein Indiz, das uns weiterhelfen würde. Sicher ist nur, daß er in eine geschickt gelegte Falle getappt ist.
    Der Comte hat, indem er ihn zum Opfer bestimmte, eine exzellente Wahl getroffen. Ich möchte wetten, daß Monsieur de Trémorel das Leben dieses Unglücklichen sehr genau kannte; nicht ohne Grund hat er sich gesagt, daß die Geschworenen nur zwei und zwei zusammenzählen müßten, um den Schuldigen zu finden. Die Katze läßt eben das Mausen nicht.
    Aber uns, die wir jedes Detail gründlich untersuchen, uns führt man nicht hinters Licht. Wir wissen, daß die Comtesse mit dem ersten Stich getötet wurde. Sie konnte sich nicht zur Wehr setzen, also hat sie auch keinen Stoffetzen aus der Kleidung ihres Mörders herausreißen können.
    Guespins Schuld anerkennen heißt auch anzuerkennen, daß er dumm genug gewesen sein muß, ein Stück von seiner Weste in der Hand seines Opfers zurückzulassen. Das heißt auch anzunehmen, daß er so töricht war, diese zerrissene und blutbefleckte Weste von einer Brücke herab in die Seine zu werfen, wo er sich doch denken konnte, daß man nach ihr suchen würde, und sie nicht einmal mit einem Stein beschwerte. Absurd!
    Also für mich beweisen dieser Stoffetzen und die blutverschmierte Weste die Unschuld Guespins und die Ruchlosigkeit des Comte.«
    Â»Aber warum spricht dann Guespin nicht, wenn er unschuldig ist?« gab der Doktor zu bedenken. »Warum beruft er sich nicht auf sein Alibi? Wo hat er die Nacht verbracht? Warum hatte er ein Portemonnaie voller Geld?«
    Â»Bedenken Sie«, erwiderte der Detektiv, »daß ich nicht behauptet habe, er sei unschuldig. Wir reden noch immer nur von Wahrscheinlichkeiten. Darf man nicht eher vermuten, daß der Comte de Trémorel, wenn er so tückisch war, seinem Diener eine Falle zu stellen, auch geschickt genug gewesen sein muß, ihn aller Mittel zu berauben, sich auf ein Alibi zu berufen?«
    Â»Aber Sie selbst leugnen doch die Geschicklichkeit des Comte!«
    Â»Pardon, Monsieur, damit wir uns recht verstehen. Der Plan von Monsieur de Trémorel war exzellent und verrät eine nicht alltägliche Verderbtheit; allein die Ausführung ließ zu wünschen übrig. Das kommt daher, weil der Plan in Ruhe und überlegt entworfen wurde; doch als die Tat nun einmal begangen war, hat der

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