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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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ihm ein zufriedenes Lächeln. »Anderes auch nicht. Aber zu der Zeit wußte ich es noch nicht. Ich wußte übrigens«, sein Blick suchte den des Friedensrichters, »viele Dinge noch nicht, die ich jetzt weiß; und weshalb sollte ich auch den Herrn Friedensrichter über jeden kleinsten Verdacht informieren, da er ja doch besser informiert schien als ich? Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß ich mich ein wenig ihm gegenüber rächen wollte für seine mir unbegreifliche Diskretion.«
    Â»Und Sie haben sich gerächt«, meinte Doktor Gendron lachend.
    Â»Am Wasser angekommen«, ergriff Lecoq wieder das Wort, »hat der Comte den Leichnam erneut abgesetzt. Aber anstatt ihn ins Wasser zu stoßen, hat er ihn vorsichtig ins Wasser gelegt. Ich weiß nicht, aus welchem Grund. Dessen nicht genug, will er glauben machen, es habe ein schrecklicher Kampf stattgefunden zwischen der Comtesse und ihren Mördern. Mit Ferse und Schuhspitze zerwühlt er den Sand. Und glaubt, daß die Polizei sich dadurch hinters Licht führen läßt.«
    Â»Ja«, murmelte Vater Plantat, »so ist es, ich habe es gesehen.«
    Â»Ohne Leiche eilt der Comte ins Haus zurück. Die Zeit drängt, denn er will noch einmal nach dem verflixten Schriftstück suchen. Er trifft seine letzten Vorkehrungen, um uns irrezuführen: beschmiert Schal und Pantoffeln mit Blut, wirft einen Pantoffel in die Seine, den Schal und den anderen Pantoffel auf den Rasen.
    Die knappe Zeit läßt ihn Fehler über Fehler begehen.
    Die Flaschen, die er auf den Tisch stellt, sind leer, er denkt nicht daran, daß sein Kammerdiener das bestätigen wird. Er glaubt Wein in die fünf Gläser zu gießen – es ist Essig. Er geht wieder nach oben, rückt die Zeiger der Uhr vor und vergißt dabei, Zeiger und Läutwerk zu koordinieren. Er zerwühlt das Bett, aber ungeschickt, er bedenkt nicht, daß diese drei Sachen gegen ihn sprechen: ein benutztes Bett, die Zeiger der auf drei Uhr zwanzig stehenden Uhr, die vollständig bekleidete Comtesse.
    Je mehr er es mit der Angst zu tun kriegt, desto mehr Unordnung schafft er. Er reißt den Betthimmel herab, mit einem blutigen Stoffetzen beschmiert er Vorhänge und Möbel. Zum Schluß drückt er seine blutverschmierte Hand auf die Flurtür. Dieser Abdruck ist zu deutlich, zu konturiert, um nicht absichtlich hervorgerufen worden zu sein.
    Gibt es bis hierhin, meine Herren, irgendeinen Umstand, ein Detail, eine Besonderheit, die nicht eindeutig auf die Schuld von Monsieur de Trémorel weist?«
    Â»Die Axt«, meinte Vater Plantat, »die in der zweiten Etage gefundene Axt, deren Position Ihnen so außerordentlich vorkam?«
    Â»Ich komme gleich darauf, Herr Friedensrichter«, antwortete Lecoq. »Es gibt in dieser Affäre einen Punkt, über den wir dank Ihrer im klaren sind. Madame de Trémorel besaß ein Schriftstück, eine Akte, einen Brief, etwas, das sie vor ihrem Mann versteckte und ihm auch trotz all seiner Bitten nicht aushändigte. Sie haben bestätigt, Herr Friedensrichter, daß der Wunsch – vielleicht gar die Notwendigkeit – sich dieses Schriftstücks zu bemächtigen, den Comte das Verbrechen begehen ließ. Wir können also davon ausgehen, daß diesem Schriftstück nicht nur außerordentliche, sondern geradezu ausschließliche Bedeutung zukommt. Es dürfte seiner Natur nach extrem kompromittierend sein. Aber wen kompromittiert es? Den Comte und die Comtesse? Oder nur den Comte? Darüber bin ich noch im ungewissen.
    Offensichtlich ist dieses Schriftstück eine Bedrohung für denjenigen, den es betrifft.
    Und es darf als sicher gelten, daß es für Madame de Trémorel eine Garantie war, ja vielleicht gar eine furchtbare Waffe, um ihren Mann zu erpressen.
    Und es ist eine Tatsache, daß Monsieur de Trémorel seine Frau getötet hat, um sich dieser ständigen Bedrohung, die sein Leben zerstörte, zu entziehen...
    Wenn wir den Fall so sehen, so müssen wir schlußfolgern, daß der Inhalt dieses Briefes – falls wir ihn finden – das Motiv des Verbrechens erklärt. Und demzufolge muß der Comte alles Menschenmögliche getan haben, um in den Besitz dieses Schriftstücks zu gelangen. Ansonsten wäre er ja noch immer dieser Gefahr ausgesetzt.
    Und deshalb beginnt der Comte, nachdem er alles getan hat, um die Spuren des tatsächlichen

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