Das Verbrechen von Orcival
ihm ein zufriedenes Lächeln. »Anderes auch nicht. Aber zu der Zeit wuÃte ich es noch nicht. Ich wuÃte übrigens«, sein Blick suchte den des Friedensrichters, »viele Dinge noch nicht, die ich jetzt weiÃ; und weshalb sollte ich auch den Herrn Friedensrichter über jeden kleinsten Verdacht informieren, da er ja doch besser informiert schien als ich? Es ist nicht von der Hand zu weisen, daà ich mich ein wenig ihm gegenüber rächen wollte für seine mir unbegreifliche Diskretion.«
»Und Sie haben sich gerächt«, meinte Doktor Gendron lachend.
»Am Wasser angekommen«, ergriff Lecoq wieder das Wort, »hat der Comte den Leichnam erneut abgesetzt. Aber anstatt ihn ins Wasser zu stoÃen, hat er ihn vorsichtig ins Wasser gelegt. Ich weià nicht, aus welchem Grund. Dessen nicht genug, will er glauben machen, es habe ein schrecklicher Kampf stattgefunden zwischen der Comtesse und ihren Mördern. Mit Ferse und Schuhspitze zerwühlt er den Sand. Und glaubt, daà die Polizei sich dadurch hinters Licht führen läÃt.«
»Ja«, murmelte Vater Plantat, »so ist es, ich habe es gesehen.«
»Ohne Leiche eilt der Comte ins Haus zurück. Die Zeit drängt, denn er will noch einmal nach dem verflixten Schriftstück suchen. Er trifft seine letzten Vorkehrungen, um uns irrezuführen: beschmiert Schal und Pantoffeln mit Blut, wirft einen Pantoffel in die Seine, den Schal und den anderen Pantoffel auf den Rasen.
Die knappe Zeit läÃt ihn Fehler über Fehler begehen.
Die Flaschen, die er auf den Tisch stellt, sind leer, er denkt nicht daran, daà sein Kammerdiener das bestätigen wird. Er glaubt Wein in die fünf Gläser zu gieÃen â es ist Essig. Er geht wieder nach oben, rückt die Zeiger der Uhr vor und vergiÃt dabei, Zeiger und Läutwerk zu koordinieren. Er zerwühlt das Bett, aber ungeschickt, er bedenkt nicht, daà diese drei Sachen gegen ihn sprechen: ein benutztes Bett, die Zeiger der auf drei Uhr zwanzig stehenden Uhr, die vollständig bekleidete Comtesse.
Je mehr er es mit der Angst zu tun kriegt, desto mehr Unordnung schafft er. Er reiÃt den Betthimmel herab, mit einem blutigen Stoffetzen beschmiert er Vorhänge und Möbel. Zum Schluà drückt er seine blutverschmierte Hand auf die Flurtür. Dieser Abdruck ist zu deutlich, zu konturiert, um nicht absichtlich hervorgerufen worden zu sein.
Gibt es bis hierhin, meine Herren, irgendeinen Umstand, ein Detail, eine Besonderheit, die nicht eindeutig auf die Schuld von Monsieur de Trémorel weist?«
»Die Axt«, meinte Vater Plantat, »die in der zweiten Etage gefundene Axt, deren Position Ihnen so auÃerordentlich vorkam?«
»Ich komme gleich darauf, Herr Friedensrichter«, antwortete Lecoq. »Es gibt in dieser Affäre einen Punkt, über den wir dank Ihrer im klaren sind. Madame de Trémorel besaà ein Schriftstück, eine Akte, einen Brief, etwas, das sie vor ihrem Mann versteckte und ihm auch trotz all seiner Bitten nicht aushändigte. Sie haben bestätigt, Herr Friedensrichter, daà der Wunsch â vielleicht gar die Notwendigkeit â sich dieses Schriftstücks zu bemächtigen, den Comte das Verbrechen begehen lieÃ. Wir können also davon ausgehen, daà diesem Schriftstück nicht nur auÃerordentliche, sondern geradezu ausschlieÃliche Bedeutung zukommt. Es dürfte seiner Natur nach extrem kompromittierend sein. Aber wen kompromittiert es? Den Comte und die Comtesse? Oder nur den Comte? Darüber bin ich noch im ungewissen.
Offensichtlich ist dieses Schriftstück eine Bedrohung für denjenigen, den es betrifft.
Und es darf als sicher gelten, daà es für Madame de Trémorel eine Garantie war, ja vielleicht gar eine furchtbare Waffe, um ihren Mann zu erpressen.
Und es ist eine Tatsache, daà Monsieur de Trémorel seine Frau getötet hat, um sich dieser ständigen Bedrohung, die sein Leben zerstörte, zu entziehen...
Wenn wir den Fall so sehen, so müssen wir schluÃfolgern, daà der Inhalt dieses Briefes â falls wir ihn finden â das Motiv des Verbrechens erklärt. Und demzufolge muà der Comte alles Menschenmögliche getan haben, um in den Besitz dieses Schriftstücks zu gelangen. Ansonsten wäre er ja noch immer dieser Gefahr ausgesetzt.
Und deshalb beginnt der Comte, nachdem er alles getan hat, um die Spuren des tatsächlichen
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