Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
Vom Netzwerk:
für ein fades Wort. »Kurz«, fuhr Sauvresy fort, »sie wollte um jeden Preis mitkommen, um dich zu sehen und mit dir zu sprechen. Um überhaupt wegzukommen, mußte ich ihr schwören, daß ich dich überrede, sie morgen zu sehen, nicht in Paris, sondern in Corbeil.«
    Â»Aha, und wie...«
    Â»Also, wir brechen morgen gemeinsam von hier auf; während ich nach Paris fahre, gehst du nach Corbeil. Ihr frühstückt im Hotel Belle Image .«
    Â»Keine Unannehmlichkeiten?«
    Â»Nicht im geringsten. Das Belle Image liegt am Ortseingang, etwas abseits und vor neugierigen Blicken geschützt. Wenn du von hier am Flußufer entlanggehst und dann den Weg in Richtung der Mühle Darblay nimmst, kommst du ungesehen hin.«
    Hector wollte etwas einwenden, aber Sauvresy schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab.
    Â»Da kommt meine Frau«, sagte er. »Still!«
    * * *
    A ls der Comte de Trémorel an diesem Abend schlafen ging, war er von der Ergebenheit seines Freundes Sauvresy schon viel weniger begeistert. Kein Diamant, auf dem sich nicht ein Fleck befindet, wenn man ihn unter der Lupe betrachtet. Er scheint sich in seiner Rolle als Retter zu gefallen, dachte er. Spielt sich als Vormund auf und spuckt große Töne. Die Leute verstehen es eben nicht, jemandem behilflich zu sein, ohne es einen spüren zu lassen. Weil er mir das Leben gerettet hat, scheint er mich als eine Sache anzusehen, die ihm gehört. Fehlt noch, daß er mir die Großzügigkeit von Jenny unter die Nase reibt! Wo mag sein Eifer wohl aufhören? Am nächsten Morgen schützte er ein leichtes Unwohlsein vor, um nicht frühstücken zu müssen. Dann brach er mit Sauvresy auf. Letzterer bestieg in Orcival den Zug nach Paris, er machte sich auf den Weg nach Corbeil.
    Und dann kam der Zug und mit ihm Jenny.
    Ihr Schmerz, ihre Freude, ihre Erregung hatten sie nicht daran gehindert, zuerst an ihr Aussehen zu denken, und noch nie war sie von grellerer Eleganz gewesen. Sie trug ein meergrünes Kleid mit einer ellenlangen Schleppe, einen Samtmantel mit schier unendlichen Falbeln und einen von diesen Hüten, die man »Unfallhut« nennt, weil sie die Kutschpferde auf den Boulevards scheu machen.
    Als sie Hector erblickte, der neben dem Ausgang stehengeblieben war, schrie sie auf, stieß die Leute beiseite, die vor ihr standen, lief auf ihn zu und warf sich ihm, zugleich weinend und lachend, an den Hals. So laut, daß jeder sie hören konnte, sagte sie:
    Â»Gott sei Dank, daß du dich nicht umgebracht hast! Wie ich gelitten habe!«
    Trémorel versuchte, so gut es ging, Jennys lärmende Demonstration zu beruhigen. Er war überrascht und irritiert und bemüht, den neugierigen Blicken zu entgehen, denn er war es gewohnt, als Pariser unbehelligt inmitten der Menge einherzugehen.
    Sauvresys diskrete Vorkehrungen waren zunichte gemacht. Der triumphale Einzug Jennys machte Aufhebens. Man war neugierig, erkundigte sich, und bald wußte man, daß der Herr, der auf die extravagante Dame gewartet hatte, ein enger Freund des Besitzers von Valfeuillu war. Weder Hector noch Jenny ahnten, daß sie zum Gegenstand des allgemeinen Geredes geworden waren.
    Sie frühstückten im schönsten Zimmer des Belle-Image, einem großen Raum mit zwei Betten und einem riesigen Fenster, das auf den Vorplatz ging. Trémorel hatte sich einen hübschen kleinen Roman ausgedacht, um seinen Sinneswandel zu erklären. Daraufhin entwarf Jenny ihre Zukunftspläne, die, der Gerechtigkeit halber sei das vermerkt, sehr vernünftig waren. Sie war entschlossen, ihrem ruinierten Hector treu zu bleiben, ihr Appartement zu sechstausend Francs aufzugeben, die Möbel zu verkaufen und ein ehrbares Gewerbe zu betreiben. Sie hatte sich mit einer ehemaligen Freundin getroffen, die eine geschickte Schneiderin war und nur das nötige Kapital brauchte, um ein Modegeschäft zu eröffnen.
    Jenny sprach mit hochrotem Kopf. Hector lachte. Dieses Geschäftsvorhaben schien reichlich lächerlich, aber er war sehr empfänglich für die Entsagung eines jungen, hübschen Mädchens, das bereit war, ihm zuliebe so etwas zu tun.
    Jenny war mit der Absicht nach Corbeil gekommen, eine Woche zu bleiben; aber der Comte erklärte ihr, dies sei absolut unmöglich. Zunächst heulte sie, war dann kurz angebunden und tröstete sich schließlich mit dem Gedanken, nächsten Dienstag

Weitere Kostenlose Bücher