Das Verbrechen von Orcival
verheiraten?«
Hector entwand ihr eine Hand, um sie auf sein Herz zu legen.
»Ich schwöre es dir bei meiner Ehre«, versicherte er. Jenny ging ins Zimmer zurück. Vor dem Spiegel stehend, setzte sie sich den Hut auf, steckte anmutig die Hutnadeln fest, als ob nichts geschehen wäre. Dann machte sie sich zum Ausgehen bereit. Als sie soweit war, sagte sie zu Trémorel:
»Ich gehe, Hector.« Sie überlegte einen Augenblick und fügte hinzu: »Wenn du mich wirklich verläÃt, um zu heiraten, hörst du niemals wieder etwas von mir.«
»Aber mein Kind, ich hoffe, wir bleiben Freunde.«
»Ja, natürlich. Aber wenn du mich, wie ich glaube, wegen einer anderen Geliebten verläÃt, dann erinnere dich daran, was ich dir jetzt sage: Dann bist du ein toter Mann und sie eine verlorene Frau.«
Der Comte de Trémorel beging den Fehler, Jennys Worten keine Bedeutung beizumessen.
* * *
A ls er Jenny erzählt hatte, er wolle heiraten, hatte er nur zur Hälfte gelogen. In der Tat wäre eine Heirat für ihn die Lösung gewesen, wenn die Dinge nicht schon so weit gediehen wären.
Die Idee dazu war Sauvresy gekommen, der damit sein Samariterwerk krönen wollte. Eines Abends, es war etwas mehr als einen Monat vor dem Bruch mit Jenny, hatte er Trémorel in sein Arbeitszimmer gebeten.
»Beginnen wir mit deiner Liquidation«, sagte er. »Sie ist noch nicht abgeschlossen, aber so weit gediehen, daà man die Ergebnisse schon voraussagen kann. Ich bin mir sicher, daà dir drei- bis vierhunderttausend Francs bleiben.« Nicht einmal in seinen kiihnsten Träumen hätte Hector eine solche Summe für möglich gehalten.
»Aber dann werde ich ja reich sein!« rief er aus.
»Reich? Nein, das nicht, aber du hast mehr, als du brauchst. Und ich habe ein Mittel, um dir wieder die Position zu verschaffen, die du verloren hast.«
»Ein Mittel! Welches, mein Gott?«
Sauvresy wartete einen Augenblick mit der Antwort. Er wollte im Blick seines Freundes erforschen, welchen Eindruck sein Vorschlag machen würde.
»Du muÃt dich verheiraten«, sagte er schlieÃlich.
Der Vorschlag schien Trémorel zu erheitern. »Mich verheiraten! Das ist leichter gesagt als getan.«
»Entschuldige, aber du weiÃt, daà ich niemals leichtfertig rede. Was würdest du zu einem jungen Mädchen sagen, das aus ehrenwerter Familie kommt, jung, hübsch, gebildet und so charmant, daà ich auÃer meiner Frau keine charmantere Person kenne. Und die eine Million Mitgift hat.«
»Ah, mein Freund, ich würde sagen, daà ich sie bewundere. Und du kennst diesen Engel?«
»Ja, und du kennst ihn auch, denn der Engel ist Mademoiselle Laurence Courtois.«
Bei diesem Namen verfinsterte sich das strahlende Gesicht Hectors wieder, und er machte eine wegwerfende Geste.
»Niemals«, erwiederte er, »niemals! Dieser alte Händler, positiv wie seine Geschäftsbilanz von ehedem, dieser Sohn seiner Werke, um seine eigenen Worte zu gebrauchen, wird nie einwilligen, seine Tochter einem Mann zu geben, der so verrückt war, sein gesamtes Vermögen auszugeben.«
Der SchloÃherr von Valfeuillu zuckte die Schultern.
»So was«, meinte er, »der Kerl hat Augen und sieht nicht. Dieser Courtois, von dem du behauptest, er sei eine positive Geschäftsbilanz, ist einer der romantischsten Männer. Seine Tochter dem Comte Hector de Trémorel, dem Cousin des Herzogs von Samblemeuse, dem Verwandten der Commarin-d'Arlange zu geben, erschiene ihm als eine superbe Spekulation, selbst wenn du keinen Franc hättest. Was würde er nicht unternehmen, um sich dem delikaten Genuà hinzugeben, sagen zu können: âºMein Schwiegersohn, der Comteâ¹, oder: âºMeine Tochter, die Comtesse Laurence!â¹ Und du hättest mindestens zwanzigtausend Francs Einkünfte jährlich.«
Hector schwieg. Er hatte geglaubt, sein Leben wäre zu Ende, und nun schwebte ihm eine wunderbare Zukunft vor Augen. Er würde also doch noch der zähen Fürsorglichkeit seines Freundes entkommen. Er wäre frei, reich, hätte eine â nach seiner Meinung â über Berthe stehende Frau. Er würde also auch dieser so schönen, so liebenden Mätresse entgehen, die jedoch stolz und gebieterisch war, so daà sie ihm bereits lästig geworden war.
»Ich versichere dir«, antwortete er seinem Freund ernst, »daà ich
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