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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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der ihm solch eine Frau und solch einen Mann beschert hatte.
    Währenddessen wurde sein Zustand jedoch so ernst, daß Trémorels Zuversicht schwand. Er mußte auf der Hut sein. Was würde ihm der mögliche Tod seines Freundes bringen? Falls Berthe Witwe sein sollte, wäre sie frei, alles zu wagen. Und was würde sie nicht wagen? Er nahm sich vor, bei erstbester Gelegenheit hinter die Pläne von Madame Sauvresy zu kommen. Und das ergab sich bald. Es war ein Nachmittag, Vater Plantat weilte bei dem Kranken, sie konnten gewiß sein, weder belauscht noch unterbrochen zu werden.
    Â»Ich brauche einen Rat, Hector«, begann Berthe, »und Sie allein können ihn mir geben. Wie kann ich herauskriegen, ob Clément nicht in den letzten Tagen seine Absichten wegen meiner Erbschaft geändert hat?«
    Â»Seine Absichten?«
    Â»Ja. Ich sagte Ihnen bereits, das mir Sauvresy in seinem Testament, von dem ich eine Kopie besitze, sein gesamtes Vermögen vermacht hat. Ich mache mir Sorgen, daß er es widerrufen hat.«
    Â»Was für ein Gedanke!«
    Â»Ah, ich habe Gründe, es zu befürchten. Verrät denn die Gegenwart so vieler Leute vom Gericht auf Valfeuillu nicht irgendeine Machenschaft? Wissen Sie, daß mich dieser Mann durch einen Federstrich ruinieren kann? Begreifen Sie, daß er mich seiner Millionen entheben und auf eine Abfindung von fünfzigtausend Francs beschränken kann?«
    Â»Aber das wird er nicht tun«, antwortete Hector und versuchte sie zu überzeugen, »er liebt Sie doch...«
    Â»Wer garantiert Ihnen das?« unterbrach sie ihn barsch. »Ich habe Ihnen drei Millionen in Aussicht gestellt, und ich brauche drei Millionen. Nicht für mich, Hector, sondern für Sie; ich will sie, und ich werde sie bekommen. Aber wie es herausbekommen...?«
    Trémorel war verwirrt. Das hatte er also von seinen Ausflüchten, von seinem ständigen Gerede über eine Geldheirat. Sie glaubte sich nun herausnehmen zu können, über ihn zu verfügen, ja ihn geradezu zu kaufen. Und er konnte nichts dagegen machen!
    Â»Wir müssen Geduld haben«, riet er, »abwarten...«
    Â»Worauf denn warten?« erwiderte sie heftig. »Bis er tot ist?«
    Â»Reden Sie nicht so«, sagte er.
    Â»Weshalb nicht?«
    Berthe näherte ihr Gesicht ganz dicht dem seinen und flüsterte ihm zu: »Er hat nur noch acht Tage zu leben, hier...« Bei diesen Worten holte sie ein kleines Fläschchen aus blauem Milchglas aus ihrer Tasche. »... hier habe ich etwas, das mich nicht zweifeln läßt.«
    Hector wurde kreidebleich und konnte einen Aufschrei des Entsetzens nicht unterdrücken. Jetzt begriff er alles, die unerklärliche Bereitschaft Berthes, nicht mehr über Laurence zu sprechen, ihre seltsamen Bemerkungen, ihre Sicherheit. »Gift«, stammelte er und war von soviel Grausamkeit wirklich entsetzt, »Gift!«
    Â»Ja, Gift.«
    Â»Sie haben noch keinen Gebrauch davon gemacht?« Wieder ließ sie ihren unerträglich kalten Blick auf ihm ruhen, der seinen Willen brach, unter dem er gewöhnlich keinen Widerspruch mehr wagte, und mit ruhiger Stimme, wobei sie jedes Wort betonte, sagte sie:
    Â»Aber natürlich habe ich davon Gebrauch gemacht.« Der Comte de Trémorel war gewiß ein gefährlicher Mann: ohne Gewissen, ohne Skrupel, vor keiner Schurkerei zurückschreckend, wenn es darum ging, seinen Leidenschaften zu frönen. Er war zu allem fähig, sicher, aber dieses schreckliche Verbrechen setzte in ihm wach, was noch an Anständigkeit in ihm steckte.
    Â»Nun!« so schrie er erbost. »Dann werden Sie ab sofort keinen Gebrauch mehr davon machen!«
    Er wandte sich zur Tür und wollte hinausstürmen. Sie hielt ihn mit einer Geste zurück.
    Â»Bevor Sie handeln«, sagte sie kalt, »sollten Sie überlegen. Sie sind mein Geliebter, dafür habe ich Beweise; wer sollte Ihnen denn glauben, daß Sie nur mein Geliebter und nicht auch mein Komplize sind? Was auch geschehen mag, ob wir durch das Glück oder das Verbrechen aneinander gebunden sind, nichts wird uns mehr trennen.«
    Hector ließ sich schwer in einen Sessel fallen, als ob man ihm mit einer Keule einen Schlag versetzt hätte. Er hielt seinen Kopf, der ihm zu platzen drohte, zwischen den Händen. Er spürte, daß er in einem Teufelskreis gefangengehalten wurde, aus dem es kein Entrinnen gab.
    Â»Aber er weiß doch nichts«,

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