Das verdrehte Leben der Amélie
Bäumen und an allen Häusern in unserem Viertel hängt Weihnachtsbeleuchtung! Und im Radio laufen Weihnachtslieder.
À propos Weihnachtslieder ... man muss keine Leuchte in Englisch sein, um zu verstehen, worum es in den Liedern Please Be Home for Christmas oder I’ll Be Home for Christmas geht, und jedes Jahr, wenn ich sie höre, spüre ich einen kleinen traurigen Stich im Herzen. Meine Mutter auch. Immer, wenn eines dieser Lieder im Radio läuft, wechseln wir den Sender. Das ist keine stillschweigende Übereinkunft zwischen uns, wir machen das automatisch. Fröhliche Weihnachtslieder bringen Freude ins Herz, aber melancholische Weihnachtslieder, Mann, die sind echt supertraurig!!!
7:30
Meine Mutter hat mich zur Schule gefahren. Als wir beim Weihnachtsbaumverkäufer am Ende der Straße vorbeikamen (wo es supergut riecht!!!), hat sie gesagt, dass wir Samstag unseren Baum schmücken werden. Sie hat noch hinzugefügt, ich solle ihr einen Wunschzettelschreiben, was mich daran erinnert hat, dass ich ihr auch etwas kaufen sollte. Allerdings brauche ich keinen Wunschzettel, ich weiß auch so, was ihr gefällt: sexy Unterwäsche! Aber das wäre echt komisch, wenn ich ihr die schenken würde. Hmm. Ich werde versuchen, mir was anderes einfallen zu lassen.
16:00
Kat und ich haben nach der letzten Stunde lange in der Schule rumgegammelt. Sie wollte, dass ich ihr bei ihren Französisch-Hausaufgaben helfe. Aber dann hat sich das Ganze in eine Riesenwerbeveranstaltung für ihren (in Kats Augen) großartigen Freund verwandelt! Ich habe mir Kat im Fernsehen vorgestellt, wie sie sagt: »Kaufen Sie den Ham! Er wird ihr Leben verändern!« – »Den Ham gibt es in drei Farbausführungen: kalkweiß im Winter, gebräunt im Sommer und rot, wenn ihm was peinlich ist.« Und dann sagt eine männliche Stimme ganz schnell: »Keine Haftung für Produktionsfehler, wenn Ihr Ham nicht rot wird, weil er zu selbstbewusst ist!«
Freitag, 2. Dezember
N ach der Schule bin ich mit zu Kat gegangen, um die Hamster abzuholen. Julianne trug das gleiche T-Shirt wie ich. Kat flüsterte mir ins Ohr: »Ich habe dir doch gesagt, dass du ihr neues Idol bist!« Dann gestand sie mir, dass ich zwar ihr Beileid hätte, sie sich aber auch darüber freue, weil vorher sie diejenige gewesen war, die von Julianne kopiert wurde. Mir wurde bewusst, dass ich, abgesehen von meiner Schuluniform, nicht wirklich viele Klamotten besitze und also nicht sehr schwer nachzuahmen sein dürfte.
Kat wollte mich nicht in die Zoohandlung begleiten, weil sie mit Ham fürs Kino verabredet war. Ihre heutige Werbeveranstaltung: »Ham ist so lieb! Er schenkt mir jedes Mal Popcorn!« Tja, wenn sie fett werden will, ist das ihr Problem! Ich persönlich finde ja, dass Popcorn nach Kotze riecht.
Was Julianne angeht, ist ihr der Abschied von den Hamsterbabys so schwer gefallen, dass sie nicht die Kraft hatte, mich zu begleiten. Sie weinte so sehr, dass sie die Hamster mit ihren Tränen völlig durchnässte. Es tat mir weh, sie so traurig zu sehen. Aus Solidarität hätte ich am liebsten mitgeheult, aber Kat hat eine Träne auf meiner Wange gesehen und gesagt:
»Oh nein! Du wirst doch jetzt nicht wegen einer hässlichen Hamsterbande heulen!«
Darüber musste ich lachen und Julianne fing an, Kat anzuschreien, dass sie unsensibel sei, und das hat die traurige Stimmung wieder gekippt. Puh!
18:00
Nach einer ewig langen Verabschiedung hat Julianne Bacon Junior, Buffy und Bono in einen Schuhkarton gesetzt, den sie ganz wunderschön eingerichtet hatte. Sie hatte ein Spitzendeckchen und ein kleines Kissen aus ihrem alten Barbie-Bett in den Karton gelegt.
18:30
Ich bin zur Zoohandlung gegangen, um die Hamster abzugeben. Nicolas war nicht da. Stattdessen hat mich ein Mädchen um die zwanzig begrüßt. Sie sah ziemlich schick aus mit ihren kurzen roten Haaren, einem Minirock und hohen Stiefeln.
Ich: »Hallo, ich bin eine Freundin von Nicolas ... Ähm, also, nicht wirklich eine Freundin, dafür haben wir uns nicht oft genug getroffen, aber sagen wir mal, immer wenn wir uns sehen, verstehen wir uns gut. Äh ... also ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob wir uns gut verstehen, weil ich häufig ziemlichen Blödsinn rede, aber ...«
Mädchen mit roten Haaren: »Nicolas arbeitet heute Abend nicht.«
Ich (während ich mich frage, ob ich mich nicht operieren lassen könnte, um stumm zu werden): »Äh ... O. k. Ich bin hier, weil er mir gesagt hat, ich könnte ihm drei Hamsterbabys
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