Das verfluchte Koenigreich
Lippen aufeinander, als koste es ihn große Anstrengung, den Zauber aufrechtzuerhalten. Endlich senkte er seine Hand. Die Aura aus goldenem Licht hing noch immer in der Luft.
»Es ist getan«, keuchte der König. »Graf Valentyne wird jetzt friedlich in der Umarmung des Güldenschlafs schlummern. Kein Übel wird ihn ereilen. Der Verfall seines Körpers ist aufgehalten.« Valentynes Gesicht hatte sich verwandelt. Jetzt wirkte es gelöst, so als seien die Schmerzen von ihm genommen.
Tania sah ihren Vater ehrfürchtig an. »Das ist ja irre«, hauchte sie. »Du hast ihn eingefroren, stimmt’s? Er wird jetzt so bleiben, bis wir ein Heilmittel gefunden haben.«
»Oder bis ich den Zauber nicht mehr aufrechterhalten kann«, sagte Oberon.
»Ist das denn schwierig?«, fragte Tania. »Es sah ganz schön anstrengend aus.«
»Schwierig?« Der König betrachtete sie nachdenklich. »Nein, aber der Zauber strengt mich an – und wird nur andauern, solange ich nicht einschlafe.«
Tania blickte zum König auf. »Und wie lange kannst du wach bleiben?«, fragte sie ängstlich.
Oberon gab keine Antwort.
»Vater«, sagte Eden und nahm die Hand des Königs. »Unter Deck sind noch andere, die an der Schwelle des Todes stehen. Kannst du auch ihnen helfen?«
»Ja, das kann ich.« Der König eilte zu der Luke und stieg hinab.
Tania sah ihre Schwester an. »Wie lange kann er wach bleiben?«, fragte sie.
»Ich weiß nicht«, erwiderte Eden. »Aber der Zauber des Güldenschlafs kostet Kraft und je mehr Kranke er beschützen muss, desto schneller wird er ermüden.«
»Dann haben wir also höchstens ein paar Tage Zeit?«
»Mag sein – doch mit jedem neuen Kranken schwindet unsere Zeit.« Eden tippte den goldenen Kokon an und er glitt lautlos durch die Luft. »Komm jetzt, Schwester – je eher wir alle innerhalb der Mauern von Veraglad sind, desto schneller werden die Stadtbewohner außer Gefahr sein.«
Tania blickte sich staunend in dem prächtigen Sommerpalast der königlichen Familie um. Das also war Veraglad! Die hohen Räume und Flure waren von tanzendem Licht und dem Spiel zarter Farben erfüllt. Die Wände glitzerten und funkelten. Sanfte Musik ertönte von überall und es war, als strömte sie aus den glitzernden Kristalltropfen der Lüster und sprudelte aus den unzähligen Brunnen des Palasts.
Der Hofstaat versammelte sich zunächst in dem luftigen Atrium im Inneren des Torhauses und die Lords und Ladys warteten geduldig, während Lord Brython und Herzog Cornelius mit dem Haushofmeister des Schlosses verhandelten. Niemand hatte mit einem solchen Ansturm von Übernachtungsgästen gerechnet.
Tania stand etwas abseits von den anderen. Sie hätte sehr gern geholfen, aber sie wusste, dass sie das Elfenvolk nur noch mehr verängstigte, wenn sie ihm zu nahe kam. Sie fühlte sich nutzlos – nutzlos und schuldig, denn inzwischen konnte sie nicht mehr leugnen, dass ihre Eltern die Krankheit ins Elfenreich eingeschleppt hatten.
Hinter ihr ertönten Stimmengemurmel und ein Rascheln wie von Seidengewändern, so als ob sich jemand eilig näherte.
Es war Titania, die jetzt mit Hopie durch das Tor kam, gefolgt von den schwebenden Güldenschlaf-Kokons, die von einem Trupp Wächter geleitet wurden. Die anderen wichen erschrocken vor den Kokons zurück und versteckten sich in den entlegensten Winkeln der weiten Vorhalle.
»Wir werden die Kranken alle zusammen im Blauen Saal unterbringen«, bestimmte Titania. »Die Fenster dort zeigen nach Osten zur aufgehenden Sonne. Vielleicht vermag die Sonne ihre Seelen zu trösten, auch wenn die Kranken sie nicht sehen können.«
Tanias Herz zog sich zusammen, als sie den Kokons nachblickte, die durch die Flügeltür eines Saals geschoben wurden.
Immer mehr Leute strömten jetzt durch das Tor in den Innenhof und Tania bemerkte, dass auch Sancha unter ihnen war.
»Nun, liebste Schwester, wirst du uns jetzt helfen?«, fragte Sancha und blickte Tania ernst an. »Unsere Not ist groß.«
»Ich weiß«, erwiderte Tania. »Aber was soll ich tun? Alle haben Angst vor mir.«
»Ich nicht«, sagte Sancha. »Die Bibliothek von Veraglad ist zwar nicht so umfangreich wie meine eigene im königlichen Palast, doch vielleicht stoßen wir auf Schriften, die uns von Nutzen sein können. Kommst du mit und hilfst mir suchen?«
»Ja, klar.« Tania war froh, dass sie endlich etwas tun konnte, und folgte Sancha eine lange Wendeltreppe hinauf, die zur ersten der vielen Galerien führte.
Dort stieß Eden eine Tür auf
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