Das verfluchte Koenigreich
Aldrich: »Aber ich erinnere mich nicht, Mylord, dass es in meinem Geburtsland Heiler gab, die es mit Prinzessin Hopie aufnehmen oder sie gar übertreffen könnten.«
Lord Aldrich richtete sich zu seiner vollen Größe auf und verkündete stolz: »Sollte Hollin der Aufgabe nicht gewachsen sein, so mag der Fluch der Krankheit auf mich und meine ganze Familie fallen, Euer Gnaden. Ich weiß von Master Hollin nur, dass er große heilende Kräfte besitzt.« Er blickte sich im Zimmer um und bemerkte kühl: »Doch sollte jemand an meinen Worten zweifeln, so werde ich noch heute diesen Palast verlassen und mit Master Hollin nach Weir zurückkehren.«
»Gemach, Lord Aldrich. Wir zweifeln nicht an Euch«, sagte Oberon. »Wir hoffen alle, dass dieser Mann tatsächlich so geschickt ist, wie Ihr sagt. Wann wird er hier eintreffen?«
»Er kommt übers Meer und wird im Morgengrauen an Land gehen.«
»So sei es«, sagte Oberon. »Wir werden Vorkehrungen treffen, dass der Heiler morgen bei Tagesanbruch gebührend empfangen wird.« Dann wandte er sich an Tania: »Unterdessen wirst du über deine Zukunft nachdenken. Morgen Abend werden wir uns erneut hier versammeln, um zu hören, wie du dich entschieden hast. Entweder werden wir dich freudig in die Arme schließen oder dir schweren Herzens Lebewohl sagen.«
»Wer bin ich, Rathina? Im Ernst – sag mir, wer ich bin.«
Tania saß auf dem obersten Absatz der breiten Marmortreppe, die Ellbogen auf die Knie gestützt und das Kinn in der Hand.
Rathina und Tania waren in einem der herrlichen Gärten des Palasts. Der Garten lag innerhalb der Palastmauern und ringsum erblickte Tania funkelnde Kristalltürme. Einige Stufen führten zu einer niedrigen Balustrade, die entlang des Klippenrands verlief. Kieswege durchzogen die gepflegten Rasenflächen und überall in den Tontöpfen und Steintrögen wuchsen gelbe und blaue Blumen und buschige rotgoldene Gräser.
Jakobsmuscheln, so groß wie Tanias Handteller, Miesmuscheln und winzige Schneckenmuscheln, grüne Napfschnecken und blaue Strandschnecken bildeten kunstvolle Mosaike zwischen den Rasenflächen des Gartens.
Rathina saß auf der glänzenden Balustrade und warf taubenblaue Kiesel ins Meer. Der Wind fuhr ihr ins Haar und wirbelte es ihr ins Gesicht. Ratlos blickte sie Tania an. »Nun, was denn wohl?«, sagte sie und zuckte mit den Schultern. »Du bist meine Schwester. Was sollte ich sonst sagen?«
Überall baumelten Windspiele, die die Luft mit ihrem sanften Klingeln erfüllten.
»Ich hab es so satt, immer hin- und hergerissen zu sein«, sagte Tania.
Aber das Allerschlimmste war ihre Sehnsucht nach Edric. Wie sollte sie diese Entscheidung ohne ihn treffen? Seit er gestern aus Cordelias Zimmer gestürmt war, hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Sie hatte keine Ahnung, wo er war oder was er gerade machte.
Ihre Elfenfamilie bedeutete ihr unendlich viel, aber Edric konnten sie nicht ersetzen. Sie dachte daran, was Edric einmal zu ihr gesagt hatte – er würde ihr an jeden Ort folgen, Hauptsache, sie wären zusammen. Sie berührte den schwarzen Anhänger, den Edric ihr geschenkt hatte. Der Stein hing an einer Kette aus geflochtenem Einhornhaar, die leicht wie Licht und feiner als Seide war. Ein Zeichen seiner unauslöschlichen Liebe, hatte er gesagt.
Ob er sie immer noch liebte?
Wenn sie sich entschied, in der Welt der Sterblichen zu leben – würde er sie begleiten? Würde er ihre Hand nehmen und mit ihr ins ewige Exil gehen? Wollte sie überhaupt, dass er ein solches Opfer brachte?
Tania hatte ihren Elfenschwestern häufig von der Welt der Sterblichen erzählt. Ja, sie hatte sogar verschiedene Gegenstände ins Elfenreich mitgebracht, um ihnen einen Einblick in ihr Leben dort zu geben. Sancha, Cordelia und Zara waren einmal mit ihr in London gewesen und kannten einige der technischen Errungenschaften schon, aber Rathina fand alles in der Welt der Sterblichen ungeheuer seltsam und faszinierend. Tania lächelte, als sie daran dachte, wie Rathina auf ihrem Bett im königlichen Palast gesessen und ihre ec-Karte in den Händen gehalten hatte, mit der sie nichts anfangen konnte.
Seufzend stand sie auf, ging zu Rathina und lehnte sich mit dem Rücken an die Balustrade, sodass sie zum Garten blickte. Dort entdeckte sie ein Muschelbild, das sie vorher nicht gesehen hatte – ein galoppierendes Einhorn mit silbernem Horn.
»Parzival«, murmelte sie. »Mein Lieblingseinhorn Parzival liegt hier begraben.«
Rathina starrte sie an. »Wie? Du
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