Das verfluchte Koenigreich
in der Platane zwitschern.
»Cordelia wüsste, wie man mit ihnen spricht«, sagte Rathina. »Der Gesang ist wunderschön, Schwester. Wenn die Vögel hier so fröhlich zwitschern, werde ich mich vielleicht an diese Welt gewöhnen. Mit der Zeit …«
»Ja«, sagte Tania. »Nur haben wir leider keine Zeit. Wir müssen die Medizin beschaffen und ins Elfenreich zurückkehren, bevor die Portale geschlossen werden.«
»Dein Freund Connor ist nicht da«, bemerkte Rathina. »Was nun?«
»Wahrscheinlich ist er nicht rechtzeitig aus dem Krankenhaus weggekommen«, sagte Tania. »Dann werden wir uns zu seiner Wohnung durchfragen und dort auf ihn warten.«
Tania ging ins Bahnhofsgebäude zurück, doch der Fahrkartenschalter war bereits geschlossen. Stattdessen entdeckte sie ein Münztelefon. Sie dachte an ihre sterblichen Eltern und schlenderte hinüber. Vielleicht konnte sie kurz zu Hause anrufen, wenn Rathina für sie wählte? Aber was sollte sie ihren Eltern sagen?
Hi, Mum und Dad, bin wieder da. Wie geht’s euch so? Ja? Super. Was das Elfenreich macht? Ja, also, Dads Erkältung hat sich hier zu einer Epidemie entwickelt. Mindestens fünfzig Leute sind schon erkrankt, und das Einzige, was sie am Leben erhält, ist … Nein! Nein, nein, nein!
Es war eine dumme Idee. Ihre Eltern würden wissen wollen, was los war, und dann müsste sie entweder lügen oder die schreckliche Wahrheit erzählen. Sie würden sich Sorgen machen und sie unbedingt sehen wollen, und woher sollte sie die Zeit nehmen, durch ganz London nach Camden zu fahren? Sie würden ihr sicher helfen wollen, aber was konnten sie schon tun? Nichts.
Nein, das war keine gute Idee, obwohl es ihr fast das Herz brach, diese Möglichkeit mit ihnen zu sprechen, verstreichen zu lassen. Vielleicht würde sie ihre Eltern ja nie wiedersehen, wenn Oberon die Portale zwischen den Welten schloss.
Der Gedanke war so schrecklich, dass sie ihn sofort verdrängte.
Sie kehrte der Telefonzelle den Rücken zu und versuchte nicht in Tränen auszubrechen. Als sie sich wieder beruhigt hatte, sprach sie eine Frau an, die ein Ticket an einem der Automaten löste, und fragte sie nach dem Weg.
Folgen Sie der Straße nach links, dann noch mal links, dann gehen Sie weiter, bis Sie zu einem kleinen Weg auf der rechten Seite kommen, dem folgen Sie. Am anderen Ende ist ein Wohnblock. Dort biegen Sie wieder nach links ab und die dritte Querstraße rechts ist es dann.
Tania verließ das Bahnhofsgebäude und kehrte zu Rathina zurück. »Ich glaube, es ist zwecklos, auf Connor zu warten«, sagte sie. »Wir gehen jetzt direkt zu seiner Wohnung.«
Die beiden Schwestern gingen die Straße entlang, Rathina hielt sich auf der Innenseite des Gehsteigs und immer wenn ein Bus oder ein Lkw vorbeidonnerte, zuckte sie zusammen.
Dann bogen sie nach links in eine ruhige Straße ein. Hier gab es nur frei stehende Häuser im Tudorstil mit geräumigen Vorgärten. Die Gehsteige waren zugeparkt, aber sonst sah man keine Autos. Der Bürgersteig lag im Schatten einiger dunkelblättriger Ebereschen und die Luft war erfüllt vom Duft des Geißblatts und der Schmetterlingssträucher mit ihren lila Blüten.
Plötzlich hörten sie Kinderstimmen und an einem Gartentor ein Stück entfernt schwebten bunte Luftballons.
»Was sind das für schöne farbige Kugeln?«, fragte Rathina und sah Tania mit großen Augen an. »Sieh nur, wie sie in der Luft tanzen! Gibt es Magie in der Welt der Sterblichen?«
Tania lächelte. »Nein, diese Kugeln heißen Luftballons«, sagte sie. »Sie sind mit Helium gefüllt. Wahrscheinlich feiert ein Kind Geburtstag.«
Im selben Moment ertönte hinter ihnen ein gleichmäßiges Rattern. Es war ein kleines Mädchen – etwa sechs oder sieben Jahre alt –, das auf Rollerblades den Gehweg entlangsauste. Das Mädchen trug ein kurzes violettes Tüllkleid, das mit Spitze verziert war. Es fuhr mit ausgebreiteten Armen und versuchte angestrengt, das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
»Achtung, Bahn frei für die Elfenprinzessin«, rief es.
»Tania!«, stieß Rathina aufgeregt hervor, als das kleine Mädchen vorbeiflitzte. »Sieh nur, das Kind hat ja Flügel!«
Rathina hatte Recht. Auf dem Rücken des kleinen Mädchens befanden sich zwei zarte Gazeflügel.
»Die sind nicht echt«, erklärte Tania. »Das ist nur ein Kostüm und die Flügel sind am Kleid angenäht.«
Das Mädchen legte eine Vollbremsung ein und wirbelte herum, die Fäuste in die Hüften gestemmt.
»Klar sind die echt!«, rief es
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