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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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sich voll mit tiefem, dunklem Rot.
    Wieder die Ritterin. Ihre Lanze stocherte nach dem Gegner, bis sie sie fluchend wegschleuderte und ihr Schwert aus der Scheide riß. Jeron – zerschrammt und zerbeult – mühte sich ächzend wieder auf die Füße und wollte dem Reiter nachsetzen, doch plötzlich stellte sich ihm der Schemen eines Fußsoldaten in den Weg. Der, den Hellas zu Nebel zerschossen hatte, war wieder zum Kämpfer verfestigt. Jeron begann ein verzweifeltes Duell. Rodraeg eilte ihm zu Hilfe, den Anderthalbhänder fest umklammert. Bhanu schoß zum dritten Mal daneben, obwohl sie den Reiter jedesmal traf. Eljazokad nahm das Zepter in seine zitternden Finger und sagte wieder »Rulkineskar«, weil dies der einzige Name war, der ihm ohne weiteres einfiel, wenn er das Zepter berührte.
    Die Schemenreiter beeindruckte das nicht. Der eine kämpfte zu Pferd gegen die Ritterin, und er tat das so erfahren, daß sie schon bald nur noch halb im Sattel hing und schließlich ganz an der Flanke ihres Schimmels herabrutschte. Der zweite kämpfte zu Fuß gegen Jeron und Rodraeg, und auch dieser war geschickt genug, um Jerons beide Degen an seiner irritierend aufscheinenden Schwertklinge zerbrechen zu lassen. Mit aller Wucht, zu der seine wiedergewonnene Gesundheit ihn befähigte, drosch Rodraeg beidhändig auf den Gegner ein, aber immer wieder verfehlte eine unsichtbare Klinge ihn nur um Haaresbreite. Eljazokad rief ab und zu ein überflüssiges »Paß auf!« dazwischen. Ohne Bestar, ohne Hellas war das Mammut eine stoßzahnlose Angelegenheit. Ein weichfüßiges Jungtier an einem Abgrund, an dem Schnee wie Klingen wirbelte.
    Die Ritterin schnitt sich mit einem Kampfmesser aus ihren Steigbügeln, stützte sich radschlagend ab und stellte fest: »Diese beiden Scheißkerle bringen uns alle um, das darf doch nicht wahr sein! Bhanu, mach dich endlich nützlich, du flachbrüstiges Zierpüppchen!«
    Schmollend schoß Bhanu Pfeil auf Pfeil aus ihrem Köcher. Beim vierzehnten traf sie endlich den berittenen Schemenreiter, der ausdauernd nach der Ritterin schlug, die sich aufs Ausweichen eingestellt hatte. Ein Pfeil genügte nicht, doch der Schemenreiter wurde immerhin schwächer. »Weiter, weiter!« forderte die Ritterin, und Bhanu schoß, bis sie zum zweiten Mal traf. Wieder verlangsamte der Reiter, aber statt dessen begann auch sein Pferd, die Ritterin mit Hufen zu bedrängen, die wie scharfkantig zugeschnittene Keulen waren.
    Jeron kämpfte inzwischen mit zerborstenen Degenstümpfen, konnte damit aber immerhin das Schwert des Schemens mehrmals einfangen und an sich zerren, so daß Rodraegs langsamere Schläge durchkamen. Die beiden stellten ein erstaunliches Phänomen fest: Der Schemenreiter schien ab und zu mehrere Klingen zu besitzen und auch mehrere Körper, die alle in verschiedenen Phasen ein und derselben Bewegung unabhängig voneinander stofflich waren. Das erschwerte den Kampf ungemein. Wo man hinstach, war nichts mehr. Wo nichts sein konnte, zuckte plötzlich Stahl hervor. Dieser Stahl war dann auch noch unsichtbar. Sie wurden zu zweit mit ihren drei Klingen dem einen Gegner nicht Herr.
    Eljazokad krümmte sich zusammen. All dieses Blutvergießen. Hellas in seiner wachsenden Lache aus Weiß und Rot. Seraikella, der auf der Seite lag, zerschnitten wie ein Opfertier. Eljazokad sah Jeron straucheln, und dann, wie sich ihm eine halb durchsichtige Schwertklinge in den Leib bohrte. Rodraeg und Jeron schrien gleichzeitig auf, der eine vor Schreck, der andere vor Pein. Jeron krümmte sich, genau wie Eljazokad, hielt aber keinen mannslangen Stab in Armen wie einen golden vibrierenden Trost, sondern versuchte, seinen auseinanderklaffenden Leib zusammenzuhalten. Er winselte wie ein kleiner Hund. Rodraegs Schwert fing einen zweiten, auf den Kopf gezielten Hieb des Schemens ab, während Jeron sich auf den Hosenboden setzte und, bleich wie ein Laken, seine Klingenruinen losließ, um sich am Leben festzuhalten. Eljazokad wollte ihm den Stab reichen wie einen Ast, um sich daran aus dem Morast zu ziehen. Er wollte ihm Licht zaubern, um seinen Weg ins Reich der Schatten zu beleuchten. Er wollte alle Bewegungen einfrieren, alle Waffen nehmen und zerschmelzen, alle Hände zusammenführen zu einem gemeinsamen Gebet an die Götter, alle Köpfe befreien von ihrem sinnlosen Haß, alle Augen richten auf das Blau und

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