Das Verhaengnis Thriller
hinunterlief, ohne den Duft von frischem Brot aus dem Erdgeschoss richtig wahrzunehmen. Wo war Jeff, und warum hatte er gelogen?
Drei Dinge wusste er sicher: Irgendjemand hatte um halb sieben angerufen; kurz darauf war Jeff überstürzt aufgebrochen; und er war nicht zur Arbeit gegangen.
Wo also steckte er?
Es gab nur eine logische Erklärung, dachte Will und ging eilig die Straße hinunter: Tom.
Offensichtlich war es Tom gewesen, der angerufen und genauso irre Reden geschwungen hatte wie am Abend zuvor. Und Jeff war zu ihm gefahren, um ihn zu beruhigen. Er hatte weder Kristin noch Will erzählt, wohin er wirklich fuhr, weil er nicht wollte, dass sie sich Sorgen machten. Oder Tom hatte ihn ausdrücklich gebeten, nichts zu sagen, damit Will nicht mitkam. Er wollte nur Jeff sehen.
Genauso wie Lainey einige Stunden zuvor ebenfalls nur Jeff sprechen wollte.
Immer wollten alle Jeff.
In seinem Kopf tauchte unvermittelt das Bild einer hinreißenden jungen Frau mit meeresblauen Augen und abschwellenden Blutergüssen in ihrem ansonsten makellosen Gesicht auf. Er lächelte, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, doch sie blickte an ihm vorbei. Kurz darauf trat Jeff aus den Schatten von Wills Gedanken und legte seine muskulösen Arme um sie, und Will beobachtete, wie sie sich bereitwillig hineinsinken ließ.
Will schüttelte den Kopf und versuchte das Bild zu vertreiben.
Konnte es sein, dass Jeff sich in dem dummen und unbesonnen Versuch, Suzys Gunst zu gewinnen, in diesem Moment mit Tom traf und die beiden tatsächlich auf dem Weg waren, Dr. Bigelow zu ermorden?
Nein, das war unmöglich, beruhigte Will sich sofort. Sein Bruder war kein Mörder, egal wie viele Menschen er in Afghanistan getötet hatte. Jeff würde sich nie zu einer von Toms idiotischen Ideen überreden lassen. Will sah auf die Uhr. Zehn Minuten nach neun. In knapp einer Stunde würden die Läden aufmachen, und Tom würde bei der Arbeit sein. Will beschloss, einen Spaziergang nach South Beach zu machen, Tom bei Gap zu besuchen und herauszufinden, was genau eigentlich Sache war.
Er straffte die Schultern, holte tief Luft und marschierte los.
Um zwanzig nach neun hatte Jeff seine Spiegeleier mit Speck gegessen und war bei der fünften Tasse Kaffee. Was zum Teufel machte er hier?
Er blickte zu dem Eingang des unscheinbaren Coffee-Shops. Seit zwanzig Minuten war niemand mehr durch die holzgerahmte Glastür gekommen. Er saß schon seit fast einer Stunde bei Fredo’s. Er hatte die Morgenzeitung von vorne bis hinten durchgelesen und die von Hand auf sechs Tafeln geschriebene Tageskarte so oft studiert, dass er sie auswendig aufsagen konnte. Seine Hände zitterten von dem vielen Koffein in seinem Kreislauf, und er konnte sich nur mit Mühe beherrschen, nicht aufzuspringen und das Lokal fluchtartig zu verlassen.
Zum zehnten Mal in ebenso vielen Minuten ging er die Ereignisse des Vormittags in seinem Kopf durch. Das Telefon hatte ihn aus einem unangenehmen Traum geweckt, an dessen Einzelheiten er sich nicht erinnern konnte. Wie in dichtem Nebel hatte er abgenommen und war erst richtig wach geworden, als er die vertraute Stimme gehört hatte. Jetzt fragte er sich, ob das wirklich passiert war oder ob er sich das Ganze nur eingebildet hatte. Hatte er vielleicht noch immer geträumt?
Aber Kristin hatte das Telefon auch klingeln hören. Sie war es sogar gewesen, die ihn geweckt hatte, fiel ihm wieder ein. Anschließend hatte sie verschlafen die Lügen geschluckt, die er ihr aufgetischt hatte. Obwohl sie wach genug gewesen war, die lahme Ausrede von Larrys Kater anzuzweifeln. Er musste wirklich vorsichtiger sein. Nein, verbesserte er sich im nächsten Atemzug. Er würde ihr die Wahrheit sagen müssen.
Was immer das sein mochte.
War er nicht deswegen hier? Um es herauszufinden?
Wieder blickte er zum Eingang des Cafés. Vielleicht hatte er den Namen falsch verstanden. Vielleicht hieß es nicht Fredo’s. Vielleicht war es ein anderer Coffee-Shop mit einem ähnlich klingenden Namen oder er hatte in seinem halb komatösen Zustand die Adresse nicht richtig mitbekommen. Vielleicht gab es ein zweites Fredo’s in der Federal Street, und er saß im falschen.
Was zum Teufel machte er hier?
Jeff sah wieder auf die Uhr und stellte fest, dass seit dem letzten Blick keine fünf Minuten vergangen waren. Der Laden war nicht direkt leicht zu finden, und während der Rushhour herrschte in Miami regelmäßig ein Verkehrschaos.
Er zog sein Handy aus der Tasche, sah nach, ob
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