Das Verheissene Land
vermisst.«
Bran schob seinen Unterarm unter den Rücken des Kleinen. Er brabbelte vor sich hin, sabberte, strampelte mit den Armen und Beinen, öffnete den Mund und lutschte am Daumen.
»Er sieht aus wie ein verspielter kleiner Welpe.« Bran schnupperte an den feinen Härchen. Der Junge roch nach frischem Leinen und Seewasser. Bran wog ihn in den Armen und ließ ihn seinen Daumen umklammern. »Ist er größer geworden? Ich glaube, er ist schwerer als bei meinem Aufbruch. Tir?«
Aber Tir antwortete nicht. Sie stand da und starrte zum Waldrand, und plötzlich bemerkte auch Bran die Stille, die sich über den Strand gelegt hatte. Er wandte sich wie die anderen zu den Apfelbäumen. Die Waldgeister standen bei den verschlungenen Wurzeln. Storm, Zwei Messer und Virga schlenderten mit einem Lächeln auf den Lippen über den Strand. Loke schnupperte wie ein alter Dachs, schlug mit dem Speerschaft auf den Boden und schnäuzte sich in seinen Bart.
»Ich kenne euch.« Der Waldgeist sprang in den Sand. Das Felsenvolk wich einen Schritt zurück. »Ich sehe dich dort vorne, Kaer. Jetzt siehst du deinem Vater noch ähnlicher, finde ich.« Der Waldgeist sah blinzelnd von einem zum anderen, bis sein Blick bei dem Einbeinigen verharrte. »Und das ist Turvi. Du hast überlebt, wie ich es dir prophezeit habe.«
Alle wandten sich zu Turvi. Er humpelte zu Hagdar vor und schwenkte seine Krücken. Er neigte den Kopf zur Seite und riss den Mund auf, doch er fand keine Worte.
»Ja«, sagte Loke. »Wir sind es, wir sind zurückgekommen.«
Turvi schwankte, doch Hagdar hielt ihn fest. Der Einbeinige begann zu weinen. Loke trat langsam zu ihm vor. Die Frauen drückten die Kinder an sich und die Männer packten ihre Speere. Doch Loke legte seine Waffen beiseite und streckte dem Einbeinigen seine Arme entgegen.
»Loke?« Turvi wischte sich über die Augen. »Kragg, das Alter spielt mir einen Streich! Erspar mir diese alten Bilder!«
Doch Loke stand noch immer da, als er die Hand von den Augen nahm. Der Waldgeist hatte Sand auf seinen Rindenstiefeln und den Hut in den Nacken geschoben.
»Ich grüße dich.« Loke zeigte ihm eine offene Handfläche. »Meine Schüler und ich sind gekommen, um euch in das neue Land zu begleiten. Lasst uns in die Boottiere gehen, dann werde ich dir von unserer Wanderung und von Gamles Träumen erzählen.«
Da ließ Turvi die Krücken fallen. Er löste sich aus Hagdars Armen und sank vor dem Trolljäger auf die Knie. Loke ergriff seinen Arm und winkte die anderen Waldgeister herbei. Dann nahm er die Krücken und reichte sie Turvi. Hagdar half dem Einbeinigen auf und dann gingen sie alle auf Brans Langschiff zu.
Das Felsenvolk entzündete ein Feuer am Strand. Sie holten Felle und Decken aus den Schiffen und breiteten sie auf dem Sand aus, und die Männer ließen Bündel mit Trockenfisch über die Reling nach unten. Sowohl die Wasserschläuche als auch die Tonnen waren voll, denn Nangor hatte ihnen gezeigt, wie sie die Segel über die Decks spannen mussten, um darin das Regenwasser aufzufangen. Jetzt meinte der Seeräuber, dass es bald an der Zeit sei, weiterzureisen, denn es wehte eine milde südwestliche Brise und Frauen wie Männer waren zuversichtlich. Deshalb versammelten sie sich an diesem Abend an den Feuern. Chogg und Sortsverd fanden einen trockenen Stamm, der am Südende des Strandes an Land gespült worden war, und während dieser in der Glut lag, stellten sich die Tirganer um das Feuer herum und spielten auf ihren Knochenflöten.
Es gab an diesem Abend noch einen weiteren Grund zum Feiern, denn als Orm Niana von Deck des Langschiffes half, erkannte Bran, dass sie noch zahlreicher geworden waren, seit er und Dielan das Lager verlassen hatten. Niana hatte eine Tochter bekommen, während sie fort waren, und Orm zeigte sein kleines Kind stolz herum. Dielan strich ihm über die Wangen, doch da begann die Kleine zu schreien und Niana nahm sie zu sich. Turvi humpelte herum und sprach von dem großen Glück, das über sein Volk gekommen sei: Die Fruchtbarkeit der Frauen war ein gutes Omen für die Zeit, die vor ihnen lag.
Bran fand einen Platz am Waldrand, wo er seinen Umhang ausbreitete, so dass Tir und er sich mit dem Rücken an einen der knotigen Stämme lehnen konnten. Er schlug eine Decke um sie, denn er wollte nicht, dass sie fror. Doch Tir lächelte ihn bloß an, lehnte sich zurück und legte das Kind an die Brust. Bran setzte sich neben sie: Er hatte einen Wasserschlauch und einen Leinenbeutel
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