Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Verhör

Das Verhör

Titel: Das Verhör Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Cormier
Vom Netzwerk:
stieg in ihm auf, als er an Alicia dachte und an seinen letzten Besuch bei ihr, als er noch keine Ahnung hatte, dass er sie zum letzten Mal sah. Er wünschte sich sehnlichst, er hätte etwas beobachtet, was bei den Ermittlungen weiterhalf. Er wünschte sich sehnlichst, Mr Trent würde ihm dabei helfen, sich an eine verdächtige Person zu erinnern, die er vielleicht vergessen hatte, auch wenn Jason das nicht für sehr wahrscheinlich hielt. Wie hätte er etwas so Wichtiges total vergessen können? Aber die Polizei und vor allem Mr Trent, der ja als Experte in solchen Sachen galt, wussten bestimmt besser Bescheid als er, wie das Gedächtnis funktionierte. Jason nahm voller Ehrfurcht wahr, dass Mr Trent manchmal zu wissen schien, was er dachte, zum Beispiel als ihm dieser verrückte Einfall gekommen war, eine verdächtige Person zu erfinden.
    Sieh dich vor, Jason, ermahnte er sich selbst.
    Wieso sollte ich mich vorsehen?
    Ganz hinten in seinem Kopf, unterhalb der Oberfläche, nagte etwas an ihm und löste wieder dieses Unbehagen aus, das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, dass hier etwas vorgegaukelt wurde, was ganz anders war, als es schien. Bildete er sich das nur ein, oder lag es einfach an diesem kleinen Büro ohne Klimaanlage, in dem es noch nicht mal einen Ventilator gab? Aus unerfindlichen Gründen machten ihm die kahlen Wände zu schaffen. Keine Bilder. Und keine Fenster.
    Ich will raus hier.
    Ihm wurde bewusst, dass er raus konnte. Er konnte einfach aufstehen und gehen. Er musste noch nicht mal jemandem Bescheid geben. Hatte es nicht geheißen, dass all das freiwillig war? Er war ein Freiwilliger. Tja, jetzt hatte er keine Lust mehr, ein Freiwilliger zu sein. Er wollte nach Hause.
    Jason rückte den Stuhl nach hinten, zuckte zusammen, als der Stuhl über den kahlen Holzboden scharrte, und ging zur Tür.

 
     
    Das Büro war leer, der Junge fort.
    Trent trat zurück auf den Korridor und sah am hinteren Ende Sarah Downes um die Ecke verschwinden. Sonst war niemand zu sehen. Der Junge hatte offensichtlich das Gebäude verlassen, war höchstwahrscheinlich durch den Hintereingang entwischt. Das Wort entwischt vermittelte Trent ein gewisses Maß an Befriedigung. Flucht war eindeutig ein Hinweis auf Schuld. Warum sollte der Junge entwischen wollen, wenn er unschuldig war?
    Eilig lief er durch den Gang bis zur Hintertür, riss sie auf und trat blinzelnd ins grelle Sonnenlicht hinaus.
    Während er darauf wartete, dass sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnten, nahm Trent die Umrisse von zwei Streifenwagen wahr, die kreuz und quer auf dem Parkplatz standen, und von einer Gestalt, die sich einer überquellenden Mülltonne näherte. Als er klarer sehen konnte, erkannte er, dass es sich bei der Gestalt um einen Obdachlosen handelte, der die Mülltonne nach etwas Essbarem durchstöbern wollte.
    Den Jungen entdeckte er am Eingang zum Parkplatz. Er stand mit hängenden Schultern da und hielt den Kopf gesenkt, als suchte er im Straßenpflaster nach Antworten auf Fragen, die Trent nur erahnen konnte.
    »Jason!«, rief er.
    Der Junge schaute auf, sah Trent, runzelte die Stirn und schwankte leicht, als müsste er eine Entscheidung fällen, ob er bleiben oder gehen sollte.
    »Bleib doch bitte«, sagte Trent und ging auf ihn zu.
    Warum hielt er den Jungen zurück? Wenn er ging, würde Alarm ausgelöst werden, es würde eine Suche nach ihm in die Wege geleitet werden und alles würde darauf hinweisen, dass der Junge schuldig war.
    Ich brauche ihn. Ich brauche es, dass er mir ein Geständnis ablegt.
    »Entschuldigung«, sagte der Junge.
    Sie traten in den Schatten eines uralten Backsteingebäudes, dessen Wände mit Graffiti voll gekritzelt waren. Trent sah in den Streifenwagen nach und stellte fest, dass sie nicht besetzt waren. Der Obdachlose wühlte geschäftig in der obersten Müllschicht in der Tonne herum.
    »Weshalb wolltest du weg?«, fragte Trent, den das ehrlich interessierte.
    »Ich will nach Hause. Es gibt nichts, was ich Ihnen erzählen könnte.«
    »Das zu beurteilen überlass ruhig mir. Aber du kannst nicht so einfach abhauen. Das macht dich verdächtig.«
    Der Junge war so erschrocken, dass er das Wort nur wiederholen konnte: »Verdächtig?«
    »Pass auf, niemand hat gesehen, dass du abgehauen bist. Gehen wir wieder hinein. Du hast vielleicht mehr Informationen, als du ahnst.«
    Ein Streifenwagen bog auf den Parkplatz ein und blieb vor ihnen stehen; die Sonne funkelte auf der Windschutzscheibe. Sie traten beiseite,

Weitere Kostenlose Bücher