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Das Verhör

Das Verhör

Titel: Das Verhör Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Cormier
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gesehen, was er gar nicht gesehen hatte.
    Auch Trent hatte eine Erkenntnis, als in den Augen des Jungen etwas - was? - aufblitzte. In einer Zeitspanne, die kürzer war als ein Wimpernschlag, hatte der Junge etwas Verborgenes, Verstohlenes preisgegeben, hatte es aus den Tiefen seines Kopfs an die Oberfläche hervorgeholt, um es kurz zu betrachten und dann wieder fallen zu lassen. Vielleicht etwas, woran er sich erinnerte? Und dann wieder verwarf? Oder etwas anderes? Eine überraschende Entdeckung? Oder ein plötzlicher Plan für ein Täuschungsmanöver? Trent fiel auf, dass während dieses kurzen Aufblitzens mit dem Körper des Jungen eine Veränderung vor sich gegangen war. Plötzlich hatte er eine abwehrende Haltung eingenommen, war starr und angespannt geworden. Irgendetwas war in dem Jungen vor sich gegangen, wie ein Riss, der sich tief im Inneren entlangzieht. In Trents Kopf leuchtete wieder eine Warnlampe auf.
    »Was ist los?«, fragte er.
    »Was?« Der Junge wirkte erschrocken. Ein besorgter Ausdruck huschte über sein Gesicht, die Blicke schossen furchtsam umher.
    »Es ist nicht klug, Täuschungsmanöver einzusetzen, Jason. Wir müssen einander vertrauen. Ich muss Vertrauen zu dir haben und du musst Vertrauen zu mir haben. Ich muss dir vertrauen können, dass du die Wahrheit sagst, denn wenn du das nicht tust, kann das zu großen Problemen führen. Früher oder später kommt die Wahrheit ans Licht. Im Verlauf des Verhörs tritt die Wahrheit dann doch zutage.«
    Der Gesichtsausdruck wurde jetzt schuldbewusst, und Trent war sich sicher, dass der Junge einen Augenblick lang etwas Betrügerisches geplant hatte, von dieser Idee aber wieder abgekommen war. Vielleicht ein abschweifender Gedanke, der mit dem Verhör gar nichts zu tun hatte, oder irgendeine Möglichkeit, die sich ihm plötzlich aufgetan hatte. Während eines Verhörs kam es oft dazu, dass der Befragte sich ablenken ließ, gedanklich abschweifte. Oder manchmal auch einen neuen Ansatz erwog. Oder sich sogar zum Lügen entschloss. Häufig wurde Trent durch Bewegungen auf so etwas aufmerksam gemacht. Aber dieses Aufblitzen im Kopf des Jungen war so schnell vor sich gegangen und wieder verschwunden, dass es nur zu einer leichten Körperbewegung gekommen war. Jetzt sackte der Junge auf seinem Stuhl ein bisschen zusammen, was darauf hinwies, dass sich eine Krise ereignet hatte, die jedoch vorüber war.
    »Hast du sonst noch jemand gesehen?«, fragte Trent, ging damit über diesen Augenblick hinweg, war jetzt aber auf der Hut. Natürlich war er von Anfang an wachsam gewesen, aber jetzt hatte er etwas, worauf er seine Wachsamkeit konkret richten konnte, nämlich die Möglichkeit eines Täuschungsmanövers.
    Es war, als schaltete der Junge völlig ab. Die Augen waren stumpf, der Körper in sich zusammengesunken.
    »Machen wir eine Pause«, sagte Trent.
    Obwohl es riskant war, legte Trent in einem Verhör je nach Situation manchmal doch eine Pause ein. Sein Instinkt sagte ihm, dass jetzt der richtige Augenblick gekommen war, um den Jungen zappeln zu lassen, ihm etwas Zeit zum Nachdenken zu geben. Dann wieder war es wichtig, unerbittlich, ohne jede Unterbrechung, auf den Höhepunkt hinzuarbeiten, auf das Geständnis, die Aufdeckung der Tat. Aber das kam später.
    Bei diesem Vorschlag runzelte der Junge erstaunt die Stirn.
    »Ich glaube, ein Päuschen würde dir gut tun«, sagte Trent. »Ich gehe kurz nach draußen. Möchtest du etwas zu trinken? Ich kann dir eine Limo holen.«
    Natürlich würde Trent kein Getränk mitbringen und dann so tun, als hätte er es vergessen. Aber nachdem er dem Jungen die Idee einer Erfrischung in den Kopf gesetzt hatte, würde ihm sein Durst bewusst werden.
    »Danke«, sagte Jason. Er war froh über die Unterbrechung, fühlte sich aber immer noch unbehaglich. Die Befragung war nicht so verlaufen, wie er sich das vorgestellt hatte, und er wusste nicht so recht, wie es bis jetzt stand. Machte er seine Sache so einigermaßen gut?
    Er fühlte sich wie in der Schule, wenn er nicht wusste, ob er bei einer Prüfung bestanden hatte oder durchgefallen war oder ob er bei einem Test im Multiplechoiceverfahren die richtige Antwort angekreuzt hatte.

 
     
    Als Trent auf den Korridor hinaustrat, wäre er fast mit Sarah Downes zusammengestoßen. Sie stand unmittelbar vor der Tür. Von Braxton und dem Senator war nichts zu sehen.
    Trent freute sich, dass sie da war - ein plötzlicher, unerwarteter Glanzpunkt in der kahlen Öde des

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