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Das Verhör

Das Verhör

Titel: Das Verhör Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Cormier
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Augen, aus denen blanker Eifer strahlte. »Okay«, sagte er.
    Trent bedauerte den Verlust seiner Anspannung und Konzentration, war aber zuversichtlich, dass er den Jungen mühelos zum Kern des Verhörs lenken konnte.
    »Vorhin haben wir besprochen, was du im ersten Teil des Nachmittags gemacht hast. Du hast den Briefträger gesehen und ein paar Jungen. Hast du auf dem Weg zu Alicia Bartlett sonst noch jemanden gesehen?«
    Jason senkte den Kopf, um sich zu konzentrieren, hielt die Augen halb geschlossen und versuchte sich vorzustellen, wie die Main Street an diesem heißen Nachmittag ausgesehen hatte.
    Er erinnerte sich an ein paar vorbeifahrende Autos, an die glitzernde Sonne auf Schaufensterscheiben, an das grüne Licht der Fußgängerampel an der Kreuzung von Water Street und Main Street, an ein junges Mädchen mit einem Kinderwagen, aber das war alles nur gedämpft, still, so als sähe man sich einen Film ohne Ton an.
    »Nichts«, sagte er. »Niemand Besonderes. Ich meine, ein paar Leute, aber nichts Auffälliges.« Dann fügte er noch hinzu: »Niemand war außerhalb seines Kontexts.« Erfreut darüber, eine Formulierung von Mr Trent anbringen zu können.
    »Schön«, sagte Trent beifällig. »Dann machen wir jetzt bei Alicia zu Hause weiter. Und jetzt müssen wir ganz besonders gründlich sein, Jason. Ich möchte, dass du das Spezifische von diesem Besuch haargenau schilderst.«
    Trent achtete darauf, wie der Junge auf den plötzlichen Schwenk von seinen Beobachtungen in der Stadt zu der Szene bei Alicia Bartlett zu Hause reagierte. Er sah, dass der Junge den Blick abwandte, als wäre er mit einem Mal bedrückt und unsicher. Bin ich zu schnell vorgeprescht?, fragte sich Trent.
    Jason betrachtete die kahle Wand, als könnte er dort die Antwort auf seine Frage finden. Die Frage lautete: War jetzt der Augenblick gekommen, wo er das erzählen sollte, was er dem Detective nicht gesagt hatte? Das mit Brad und Alicia und dass sie am Montag stocksauer aufeinander gewesen waren, nicht nur wegen des Puzzles, sondern auch noch wegen etwas anderem.
    »Brad, ihr Bruder, war an dem Montag auch da und schwamm mit seinen Freunden im Pool herum«, fing Jason an.
    Mr Trent sah ihn seltsam spöttisch an, sagte aber nichts.
    »Sie hatten Streit«, sagte Jason. »Ich meine, sie haben sich nicht richtig gestritten, aber sie waren sauer aufeinander.«
    Mr Trent schwieg immer noch und das ermunterte Jason zum Weiterreden.
    »Ich hatte das Gefühl, dass zwischen ihnen etwas los war, dass Brad ihr vielleicht irgendwas angetan hatte.«
    Trent hörte geduldig zu. Er wartete darauf, dass der Junge zur Sache kam, erkannte aber, dass er Mühe hatte, sich auszudrücken. Trents Aufmerksamkeit richtete sich auf die Hände des Jungen. Die waren aktiv zugange, flatterten, bewegten sich von seinem Körper weg, als wollten sie zum Ausdruck bringen, was er zu sagen versuchte. Trent beugte sich etwas vor. An den Bewegungen der Hände, des ganzen Körpers, konnte er erkennen, dass der Junge die Wahrheit aufdecken wollte, worin diese Wahrheit auch bestehen mochte.
    »Brad hat sie immer geneckt«, sagte der Junge. »Er hat jeden geneckt. Aber an dem Montag war das irgendwie mehr als nur Neckerei.«
    Der Junge machte die Augen wieder halb zu, was darauf hinwies, dass er sich voll und ganz konzentrierte, um eine Erinnerung festzuhalten oder aus den Tiefen seines Kopfs eine wesentliche Information zutage zu fördern.
    »Sie hat zu ihm gesagt: >Hast du heute nicht schon genug angerichtet?< So was in der Art.«
    Der Junge seufzte, ein gewaltiger Seufzer, bei dem er die Luft ausstieß, als hätte er gerade eine ungeheuer bedeutsame Botschaft übermittelt.
    »Warum hast du dem Detective gegenüber nichts davon erwähnt?«, fragte Trent.
    »Ich weiß auch nicht. Ich hab's nicht für so wichtig gehalten. Alicia und Brad haben sich immer...« Der Junge zuckte mit den Schultern, gab das Ringen um das passende Wort auf.
    »Gezankt?«, ergänzte Trent. »In die Wolle gekriegt?«
    Jason nickte. »Das stimmt.«
    »Wieso warst du der Ansicht, dass ihr Geplänkel an diesem Tag so anders war?«, fragte Trent.
    »Ich schätze, so anders war das gar nicht«, sagte der Junge. »Deshalb hab ich dem Detective auch nichts davon erzählt.« Dann sah er Trent voll ins Gesicht, mit flehendem Blick. »Meinen Sie, das war wichtig? Hab ich etwas falsch gemacht?«
    Trent versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn diese Bemerkung des Jungen überraschte. Erstaunlicherweise

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