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Das verlassene Boot am Strand

Das verlassene Boot am Strand

Titel: Das verlassene Boot am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott O'Dell
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kletterte hinter uns hoch und führte mich zum Bug, wo auf einem Herd aus Ziegelsteinen in großen Töpfen Essen kochte. Ich stand noch keine Sekunde dort, da drückte mir der Koch schon ein Messer in die Hand und zeigte auf einen Korb voll Kartoffeln. Er gab mir zu verstehen, ich solle sie schälen. Erst mittags, als die Männer zum Essen kamen, erfuhr ich, wie es Mando ergangen war. Er war schon genauso ruß- und fettverschmiert wie alle anderen, und seine Zähne blitzten weiß, wenn er den Mund aufmachte!
    »Was mußt du tun?« flüsterte ich ihm zu.
    »Ich werfe große Brocken Walfett in die Kessel«, flüsterte er zurück. »Die Hitze und der Rauch sind schrecklich. Und vom Gestank dreht sich mir der Magen um. Morgen werde ich verrückt und springe über Bord. Vielleicht werde ich schon heute verrückt. «
     

8
     
    Der Koch war fett und aß gerne. Er kaute auch gerne Tabak, den er in einem Lederbeutel mit sich herumtrug. Er tat beides so gerne, daß er seinen Kautabak sogar beim Essen im Mund behielt. Er spuckte dauernd ins Feuer. Als ich ihm am ersten Morgen half, das Rindfleisch zu schneiden, das der Maat auf dem Festland gekauft hatte, sagte er, ich solle mir Zeit lassen und mich nicht allzu sehr beeilen.
    »Wir sind keine Familienpension, wo jeden Tag Schlag zwölf gegessen werden muß«, sagte er. »Hier wird das Essen serviert, wenn's fertig ist, und keine Minute früher.«
    Am Nachmittag gab er mir Zeit zum Ausruhen und sagte, ich solle mir das Schiff anschauen.
    »Die Boston Boy ist jetzt kein sehr erfreulicher Aufenthaltsort«, sagte er. »Aber du kannst dir ja die Nase zuhalten, während du dir alles ansiehst. Wenn die Männer blöde Bemerkungen machen, dann gib ihnen kräftig heraus. Die meisten sind im Innersten doch Gentlemen... von der rauhen Sorte, natürlich. Außerdem haben sie keine Zeit für Geschwätz.«
    Die Kombüse reichte quer über das Schiff; der Koch ging zur Tür, spuckte in die Richtung, in die der Wind blies, und kam wieder herein.
    »Wir sind auf Pottwale gestoßen«, sagte er. »Niemand weiß, was die in dieser Gegend zu suchen haben; gewöhnlich gibt's hier nur Grauwale. Jedenfalls haben wir zwei gefangen, und da alle am Erlös beteiligt sind, schuften sie sich halb tot, um jedes Faß an Bord zu füllen.«
    Ich fand es nicht sonderlich interessant zuzusehen, wie die Männer mit riesigen Messern dicke, lange Fettstreifen aus den Walen säbelten, an langen Haken an Bord zogen und dann in die Kessel warfen. Ich wollte mit meinem Bruder Mando sprechen und mit ihm überlegen, wie wir wieder von diesem Schiff herunterkommen.
    Fast das ganze Deck diente dazu, Walfett auszukochen. Vor einer der vielen offenen, aus Ziegelsteinen gemauerten Feuerstellen fand ich Mando. Er stand mit nacktem Oberkörper da und schürte das Feuer unter dem Kessel. Mit einer langen Zange fischte er das Walfleisch aus dem Kessel, aus dem alles Fett herausgekocht war, und warf es ins Feuer, das aufloderte und eine gewaltige Hitze ausströmte.
    Mando warf mir einen Blick zu, aber es war unmöglich, miteinander zu reden. Am Abend nach dem Essen konnte ich ihn nirgendwo finden. Erst am dritten Tag sollten wir endlich Gelegenheit finden, miteinander zu sprechen, denn an jenem Nachmittag passierte ein Unfall.
    Der Maat - der junge Mann mit den Falten und dem goldenen Ohrring - schwatzte beim ersten Mittagessen ziemlich viel; er redete die ganze Zeit davon, wie reich sie alle nach dieser Fahrt sein würden, und das nur, weil sie jetzt ein Mädchen an Bord hatten.
    »Von jetzt an werden wir nur noch Glück haben, bis wir wieder im Hafen von Boston einlaufen«, sagte er. »Ruhige See am Kap Horn, Rückenwind und gutes Wetter.«
    Der Maat richtete diese Worte gezielt an die Adresse all der Matrosen, die glaubten, daß eine Frau an Bord Unglück brachte. Sie waren in der Überzahl, und ich hoffte heimlich, daß sie meutern und mich an die Küste bringen würden, aber am nächsten Tag fingen sie vier weitere Pottwale, die hier Tausende von Meilen von ihren gewohnten Fanggründen entfernt waren.
    »Das beweist, daß ich recht habe«, prahlte der Maat. »Und obendrein bringen wir noch Indianer mit und zeigen den braven Bürgern von Boston, wie wirkliche Indianer ausschauen. Das sind keine mit Federn geschmückten Wilden, diese beiden.«
    Er sah mich mit einem bewundernden Lächeln an. Dieses Lächeln und vor allem seine Worte verstärkten meine Entschlossenheit, vom Schiff zu fliehen.
    Der Maat trank den letzten Schluck

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