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Das verlassene Boot am Strand

Das verlassene Boot am Strand

Titel: Das verlassene Boot am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott O'Dell
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dem ersten Maat befohlen, alles vorzubereiten.«
    »Dann müssen wir heute nacht fliehen«, sagte ich.
    »Der Kapitän hat auch gesagt, daß er uns mit nach Boston nimmt. Wo immer das sein mag.
    »Ich glaube, das ist sehr weit weg«, sagte ich. »Jedenfalls werde ich nicht mitfahren. Ich springe eher über Bord und schwimme zur Insel. «
    »Bis zur Insel ist es ziemlich weit«, meinte Mando. »Und was fangen wir dort an?«
    »Wir finden dort genug zu essen, und irgend jemand von der Mission wird uns schon finden. Wir könnten Rauchsignale geben.«
    »Hier gibt es viele Haie, Zia. Sie haben ganze Stücke aus den toten Walen herausgerissen. Einer der Matrosen hat drei Haie erschossen, und die anderen haben sich dadurch nicht stören lassen.«
    Sein Blick und sein Tonfall überraschten mich, und ich wurde plötzlich mißtrauisch. »Du willst doch nicht auf dem Schiff bleiben?«
    »Ich habe überlegt...«, antwortete Mando.
    »Aber du bleibst nicht wirklich?«
    »Ich habe gar keine Wahl. Du auch nicht. Wir sind Gefangene der weißen Männer.«
    Der Gedanke, Gefangener zu sein, war etwas ganz Neues für Mando, und es schien ihm irgendwie zu gefallen.
    »Nein, ich bin keine Gefangene. Und du auch nicht«, sagte ich.
    »Ich muß dem Kapitän den Tee bringen.«
    »Der Kapitän kann warten. Meinst du, wir finden unser Boot im Dunkeln wieder?«
    Mando blieb stehen. »Das dürfte nicht so schwer sein, aber es werden keine Rude# darin sein. Sie bringen abends alle Ruder aufs Schiff.«
    »Wahrscheinlich möchten manche der Matrosen auch fliehen.«
    Mando zuckte die Achseln und ging weiter. Ich folgte ihm über das Deck bis beinahe vor die Tür des Kapitäns. »Wo schläfst du nachts?« fragte ich.
    »Da drüben. « Mando zeigte auf eine Nische zwischen den Deckaufbauten.
    »Hörst du die Schiffsglocke?«
    »Manchmal, aber wenn ich fest schlafe, höre ich sie nicht.«
    »Heute nacht mußt du wachbleiben, du mußt darauf achten, wenn sie sechsmal schlägt.« Ich zählte an meinen Fingern bis sechs. »Sechsmal bedeutet, daß es elf Uhr ist.«
    »In der Mission bedeuten sechs Glockenschläge, daß es sechs Uhr ist«, sagte Mando. »Zeit fürs Abendessen.«
    »Hier auf dem Schiff bedeutet es elf Uhr. Dann schlafen alle bis auf den Mann, der auf Deck Wache hält. Wenn die Glocke sechsmal schlägt, treffen wir uns hier an der Reling. Vergiß dein Messer nicht.«
    »Und was ist, wenn ich die Glocke lieber nicht hören möchte?« sagte Mando.
    »Du bist elf Jahre alt, aber du bist noch nicht erwachsen«,; antwortete ich.
    »Ich werde beim nächsten Mond oder bald danach zwölf, also bin ich so gut wie erwachsen«, entgegnete Mando trot-1 zig. »Und was sollen wir mit einem Boot ohne Ruder?« fügte er hinzu. »Wir haben auch kein Segel. Wie sollen wir vorwärtskommen? «
    »Wir können uns am Steuer festhalten und schwimmend das Boot vor uns herschieben.«
    »Und die Haie?«
    »Hier auf dem Schiff gibt es mehr Haie als im Meer. Viel mehr. Und der Kapitän ist auch einer von ihnen«, sagte ich.
    »Wenn der Kapitän morgen früh merkt, daß wir verschwunden sind, schickt er die Boote hinter uns her«, sagte Mando.
    »Bis morgen früh sind wir längst in der Mission Ventura. Zwischen den beiden Inseln hier gibt es eine starke Strömung zur Küste zu.«
    »Mir gefällt das alles nicht«, antwortete Mando. »Ich will nicht ohne Ruder und ohne Segel in einem Boot sitzen. Und wenn die Männer, die nachts Wache halten, uns sehen? Und dann die Haie. Und wenn sie uns morgen früh wieder einfangen und in Ketten legen? Zwei Männer liegen bereits in Ketten. In einem dunklen Loch unter Deck, wo die Ölfässer liegen.« Mando ging weiter. »Mir gefällt die ganze Sache nicht.«
    Es wurde Abend. Die Boote kehrten zurück. Die Männer vertäuten sie am Schiff und kletterten die Strickleiter herauf.
    »Denk daran, daß wir keine Sklaven sind. Wir werden uns auch von niemandem anstarren lassen«, sagte ich. »Heute nacht, wenn es sechs schlägt. Und bring dein Messer mit.«
    Ich ging zurück in die Kombüse und später in die Kammer, in der ich schlief. Vom Abendessen war Fleisch übriggeblieben; ich gab es in einen Beutel und legte auch einige große, runde, steinharte Fladen hinein. Von dem Haken neben dem Herd suchte ich mir das schärfste Messer aus. Dann setzte ich mich hin und wartete, bis die Schiffsglocke sechsmal anschlug.
    Ich wußte nicht, ob Mando sich für meinen Plan entscheiden oder beschließen würde, bei den weißen Männern auf dem

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