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Das verlassene Boot am Strand

Das verlassene Boot am Strand

Titel: Das verlassene Boot am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott O'Dell
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Vielleicht früher. Vielleicht später.«
    »Darf ich mitkommen?«
    »Wir werden sehen.« Er steckte den Kompaß in die Tasche. »Frauen bringen kein Glück an Bord.«
    »Ich habe der Boston Boy Glück gebracht. Sie haben vier Wale gefangen, während ich an Bord war.«
    »Boston Boy?«
    Er schaute überrascht drein. Ich erzählte ihm, was wir auf dem Walfänger erlebt hatten. Sein Staunen blieb auch als ich mit meiner Geschichte zu Ende war.
    »Ihr habt Glück gehabt, daß ihr nicht in Boston gelandet seid«, sagte er.
    »Darf ich mit Ihnen kommen?« fragte ich noch einmal.
    »Ich werd's mir überlegen«, antwortete er.
     

11
     
    Den Rest des Sommers ging ich mindestens einmal in der Woche an den Strand, um mit Kapitän Nidever zu sprechen. Kurz vor Herbstbeginn traf ich ihn im Dorf der Chumash, in der Nähe von Ventura. Es war ein hübsches Dorf, das in einer flachen Bucht an einem weißen Sandstrand lag. Bei den Kanus am Strand fand ich Kapitän Nidever, der sich mit drei Männern unterhielt.
    Ich wartete, bis er seine Unterhaltung beendet hatte und zu seinem Pferd ging. Er stieg auf und lächelte zu mir herunter.
    »Ich segle demnächst zur Insel«, sagte er.
    »Wann?« fragte ich.
    Er schob seinen hohen Hut mit dem silbernen Band zurück.
    »So genau kann ich es noch nicht sagen. Es kommt drauf
    an.«
    Er dachte nach, und ich wartete.
    »Ich habe den Chumash zwei Kanus abgekauft«, fuhr er fort.
    Ich verstand nicht, wozu er zwei Kanus brauchte, aber ich fragte nicht danach,
    »Ich vertäue die beiden Kanus nebeneinander und mache ein kleines Deck dazwischen. Dann kann ich ein größeres Segel nehmen. Ich komme damit schneller voran, und ich kann auch mehr Pelze heimschaffen. Ich kann die Holzreste von deinem Boot dafür verwenden. Was mir jetzt noch fehlt, ist ein festes Segel.«
    »Ich kann ein Segel weben, Kapitän Nidever. Ich habe in der Mission schon viele Matten gewebt. «
    »Es muß stärker sein als eine Matte, und dichter, um den Wind einzufangen.«
    »Ich kann das Segel aus Schilf und jungen Weiden weben.« In meiner Aufregung hatte ich ganz vergessen, daß Kapitän Nidever in erster Linie zur Insel wollte, um Ottern zu jagen und nicht, um Karana zu suchen. »Und ich kann sie so stark und dicht weben, wie Sie es wollen.«
    »Wie lange würdest du dafür brauchen?«
    »Ich kann nur am Abend daran arbeiten. Unter Tags bin ich für die Mission beschäftigt.«
    Kapitän Nidever schob wieder an seinem Hut. »Also, jetzt haben wir August. Meinst du, du kannst es bis Mitte September fertig kriegen?«
    Ich zählte die Tage an den Fingern ab. Ich zählte die Stunden, die ich jeden Abend arbeiten konnte, denn um neun Uhr wurden alle Lampen gelöscht. Ich rechnete es mit Hilfe von Strichen im Sand aus.
    »Bis September«, sagte ich.
    »Gut«, sagte Kapitän Nidever.
    Er wendete sein großes weißes Pferd.
    »Diese Fußspuren, die Sie letzten Sommer auf der Insel gesehen haben«, fragte ich. »Wie viele waren es?«
    »Ich habe sie nicht gezählt, kleines Fräulein. Ein Dutzend oder mehr, würde ich sagen. Es sah so aus, als ob der, von dem sie stammten, uns zuerst bemerkt hat und aus dem Wasser, über den Sand die Felsen hinauf geflohen ist. Wahrscheinlich aus Angst vor weißen Männern.«
    »Und es ist sicher, daß es ein Mädchen war?«
    »Ganz sicher. Es waren zwar keine ausgesprochen kleinen Füße, aber sie waren auch nicht groß. So ungefähr mittendrin. Und ein Mann hätte sich vor uns ja kaum gefürchtet. Nur ein Mädchen hat Grund, davonzulaufen und sich vor uns zu verstecken, jedenfalls wenn es ein bißchen Verstand im Kopf hat.«
    Ich hätte mich auch gefürchtet. Kapitän Nidever und sein Freund Curt waren wild aussehende Männer. Sie trugen beide lange Jagdmesser und Flinten. Es war verständlich, wenn eine Frau bei ihrem Anblick davonlief und sich versteckte. Daher hatte ich schon seit Monaten über einen Plan nachgedacht, den ich ihm jetzt mitteilte. »Wenn Sie mich schon nicht mitnehmen wollen, würden Sie einem Pater gestatten, mit zur Insel zu fahren?« fragte ich.
    »Warum?«
    »Damit das Mädchen, falls es Karana ist, keine Angst zu haben braucht. Sie wird sehen, daß er anders gekleidet ist, keine Waffen trägt und ein freundliches Gesicht hat.«
    »Ich habe also kein freundliches Gesicht?« fragte der Kapitän.
    »Bei allem Respekt, nein«, antwortete ich. »Nein.«
    Der Kapitän lachte.
    »Wie sieht dieser Pater aus? Die meisten sind so ungeschickt, daß sie nicht einmal einen Ziegelstein

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