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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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hörte er den kurzen Fetzen eines Gesprächs vor seinem Fenster. Den jungen Stimmen nach handelte es sich um zwei Knappen.
    »Und wenn sich Meerschaum dabei verletzt?«, fragte der eine.
    »Ist doch egal«, antwortete der andere. »Das bekommt der Hohe Abt mit einem Gebet schon wieder hin.«
    Dann waren sie außer Hörweite, und Ben fluchte erneut, weil er nun auch noch dafür gesorgt hatte, dass die Knappen rücksichtsloser mit den Drachen umgingen; es wuchs ja alles wieder zusammen. An die Schmerzen schienen sie nicht zu denken.
    Überhaupt fluchte Ben innerlich viel, um all die Lobpreisungen Hellwahs und Marschlieder der Knappen zu übertönen, die sich gegen seinen Willen festsetzen wollten. Wie hatte er nur zustimmen können, für den Abt zu arbeiten? Wäre er doch besser tot!
    Nein!
    Er packte die Maske mit beiden Händen und rüttelte zornig an ihr. Jeden Tag juckten die Haare darunter schlimmer, auch die Ohren und die Gesichtshaut. Mit abgekauten Fingernägeln kratzte er über das Leder, als würde das etwas bringen.
    »Hallo«, sagte da eine Stimme vor seiner Zelle. Draußen
war es noch hell, und es klang nicht nach einem seiner beiden Ritter.
    Als Ben aufblickte, erkannte er Akse, der mit einem Besen in der Hand dastand und ihn so hielt, dass er jederzeit weiterfegen konnte. Doch im Moment hielt er ihn ruhig und starrte Ben an.
    »Du bist Ben«, sagte er und trat nach einem kurzen Blick den Gang hinunter ganz an die Tür heran.
    Ben zuckte zusammen. Wie konnte der Kerl das wissen? Er hatte ihn doch nur mit Maske gesehen. Oder war das eine Falle des Abts, der ihn auf die Probe stellen wollte? Herausfinden, ob er wirklich schwieg und seinen Namen verleugnete?
    »Ich bin nur der Junge in der Maske«, sagte Ben tonlos.
    »Ein ziemlich dämlicher Name.« Akse grinste. »Und ziemlich lang.«
    Ben sah ihn an. Nein, wollte der Abt ihm eine Falle stellen, hätte er einen anderen Knappen geschickt. Einen, auf den er sich verlassen konnte. »Woher willst du wissen, wer ich bin?«
    »Wer viel kehrt, sieht viel.« Akse grinste.
    »Ach ja?«
    »Ja.« Plötzlich wirkte der Knappe viel ernster. »Ich habe gehört, was du bei der Befragung durch uns Knappen gesagt hast. Über freie Drachen mit Flügeln. Dann stirbst du angeblich kurz vor deiner Hinrichtung, und noch in derselben Nacht sitzt ein maskierter Junge in einer abgelegenen Zelle, aus der er nur nachts zu Drachen geführt wird, um sie zu heilen. Das ist doch kein Zufall. Ich habe gesehen, was du tust.«
    »Ich rede mit den Drachen und lege ihnen die Hände
auf. Aber dein Abt betet für sie zum herrlichen Sonnengott. Meinst du nicht, dass er die größere Macht hat?«
    Akse biss sich auf die Lippe und nickte. »Das müsste jeder Ordensritter und Knappe wohl so sehen. Nur finde ich es seltsam, dass er erst für ihre Gesundheit betet, seit du hier bist.«
    »Zufall?«
    »Mag Zufall sein. Aber wenn er wirklich die Macht hat, Drachen zu heilen, warum dann erst jetzt? Warum hat er sie jahrelang leiden lassen?«
    Ben starrte den Knappen an, der auf seinen Besen gestützt dastand und ihn ebenso neugierig musterte. Sein Blick war anders als der der anderen Knappen, seine Worte sowieso. »Wenn ich wirklich dieser Ben wäre, was willst du von mir?«
    »Lernen.«
    Irritiert starrte Ben ihn an. »Was?«
    »All das, was du über Drachen weißt. Alles, was du mir beibringen kannst. Ich wollte Ritter werden, seit ich meinen ersten Drachen gesehen habe. Ich liebe Drachen, sie sind so wunderschön und groß und erhaben. Aber Gleichschritt ist nicht so mein Fall, habe ich festgestellt.«
    Ben lachte. »Habe ich gesehen.« Es war ihm einfach so herausgerutscht.
    »So?«
    »Ja, in Rhaconia. Du magst Jungfrauen.«
    Jetzt lachte Akse, dann wurde er wieder ernst. »Ich habe über alles nachgedacht, was du gesagt hast und was seitdem geschehen ist, und glaube, du weißt mehr als alle anderen hier.«
    »He!«, drang da die Stimme des Kerkermeisters den Gang entlang. »Brauchst du noch lang?«

    »Ich komme!«, brüllte Akse zurück, nahm hastig den Besen auf und fegte den letzten Dreck zusammen.
    »Und ich komme wieder«, flüsterte er, als er an Bens Zelle vorbeiging.

GEFUNDEN
    T agelang hatten sie getrauert, jeder auf seine Weise. Während sich Anula nach Nähe hungernd an Marmaran geschmiegt hatte und jeden berührte, der ihr in der viel zu leeren Festung über den Weg lief, hatte Yanko dem Orden hunderte Male Rache geschworen. Nur wusste er nicht, wie sie auszuführen war. Wie konnten

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