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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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Tarnung.
    Dann machte er sich auf den Weg nach Osten.
    Denn weit hinter den schneebedeckten Gipfeln der Erken lebte ein knauseriger Bauer, der nannte einen großen, feuerspeienden Hahn sein Eigen. Einst war dieser einem brennenden Vulkan entstiegen, ohne dass seine Federn Feuer gefangen hatten. Mit frischem Korn und harter Hand unterwarf der Bauer das Tier und richtete es ab wie einen Wachhund. Aufgestachelt vom Bauern trieb fortan der Hahn die Knechte und Mägde des Hofs an und ließ sie ununterbrochen schuften, auf dass der Bauer mehr und mehr Korn, Milch, Eier und Fleisch verkaufte. Bald stolzierte der wohlhabende Bauer wie sein Hahn durch das Dorf und über den Wochenmarkt in der nahen Stadt und ließ sich hofieren.
    Zu diesem Bauern nun ging Ailon und zeigte ihm seinen Beutel, der alles Essen so wunderbar vermehrte. Der Bauer lachte ihn aus, doch Ailon steckte ein gekochtes Ei hinein und holte eines nach dem anderen heraus. Als schließlich fünf Dutzend Eier auf dem Tisch lagen und noch immer kein Ende abzusehen war, glaubte ihm der Bauer und sah eine Möglichkeit, ohne viel Arbeit noch sehr viel reicher zu werden.
    »Was willst du für den Beutel haben?«, fragte er mit gierigem Glanz in den Augen.

    »Vier Federn von deinem Hahn«, antwortete Ailon und stellte sich auf zähes Feilschen ein, war der Bauer doch berühmt für seinen Geiz.
    »Nichts leichter als das«, sagte der Bauer jedoch sofort, da die Federn ihn nichts kosteten. Lachend packte er das Tier und riss ihm im Übermut gleich fünf Federn aus. »Ach, nimm sie alle. Ich bin ein großzügiger Mann.«
    Der Hahn krächzte und spuckte wütend Glut, doch er wagte nicht, seinen Herrn anzugreifen, sondern pickte statt-dessen nach den Eiern.
    Ailon dankte und ging seiner Wege, während der Bauer noch am selben Abend ein junges Kalb schlachtete und das zarteste Stück Rückenfilet in den Beutel steckte. Sodann holte er ein Stück Fleisch nach dem anderen heraus und ging die ganze Nacht nicht zu Bett, sondern lud Berge von frischen Filetstücken auf seinen Wagen. Am nächsten Morgen lenkte er den Wagen höchstselbst in die Stadt, um das Fleisch auf dem Markt zu verkaufen. Noch unterwegs probierte er zwei Stück, die er sich hatte braten lassen. Sie schmeckten vorzüglich.
    Doch kaum hängte er auf dem Markt ein Preisschild an den Wagen, verwandelte sich das burghoch aufgetürmte Fleisch in einen widerlich stinkenden Brei, schwappte vom Wagen, begrub den gierigen Bauer unter sich und gab ihn nicht mehr frei.
    Sein Hof wurde von dem Hahn übernommen, der die Knechte und Mägde weiterhin schuften ließ. Und sie gehorchten, denn jahrelang hatten sie nichts anderes getan und waren es gewohnt.
    Ailon erreichte schließlich mit der Schlangenhaut und den Hahnenfedern im Gepäck den hohen, steilen Berg der
Götter. Er band sich zwei der im Vulkanfeuer gestählten Federn an die Schuhsohlen und packte zwei mit den Händen. Ihr langer Kiel war ungewöhnlich spitz und konnte selbst die Rinde einer Goldesche durchstoßen, und so drang er auch in härtesten Stein wie in Quark.
    Abwechselnd schlug Ailon seine vier Federn in die Felswand und kletterte so Schritt um Schritt auf den Berg. Winde pfiffen um ihn herum und zerrten an seiner Kleidung, Vögel umkreisten ihn neugierig und sangen spöttische Lieder, doch Ailon ließ sich nicht beirren. Drei lange Tage dauerte es, bis er endlich den Gipfel erreichte. Mühsam rollte er sich über die Kante und blieb schwer atmend liegen.
    Irgendwann richtete er sich auf und erkannte keine hundert Schritt entfernt die mächtigen, strahlenden Häuser der Götterstadt. Ihre Pracht ließ ihn erstarren, und dann bemerkte er Churigee, die Göttin der Winde, die von ihren Kindern von seinem Aufstieg erfahren hatte.
    Mit wehendem blondem Haar und verschränkten Armen stand sie vor ihm und fragte mit donnergrollender Stimme: »Was willst du hier, Mensch?«
    »Nichts. Ich wollte nur mal sehen, wie Götter so leben«, entgegnete Ailon leichthin, wie er es sich vorgenommen hatte. Doch es fiel ihm schwer, nicht auf die zitternden Knie zu fallen, auch wenn er nicht wusste, ob der auszehrende Aufstieg ihn derart geschwächt hatte oder der Anblick einer Göttin. Seine forsche Antwort baute darauf, dass Götter Mut zu schätzen wissen.
    Und tatsächlich lachte Churigee. »Du tust etwas, das kein Mensch zuvor gewagt hat, und erwartest tatsächlich nichts dafür?«
    »Ja, so ist es.« Ailon setzte ein vorsichtiges Lächeln auf.
»Das heißt, der Aufstieg

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