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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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war einigermaßen beschwerlich. Wenn ich einen Happen zu essen bekommen könnte, bevor ich wieder hinuntersteige, wäre das wundervoll.«
    »Nun, das lässt sich machen.« Beeindruckt lud die Göttin ihn zu einem Mahl ein und führte ihn in ein Haus mit grauen Wolkenwänden.
    Doch bevor sie sich zu Tisch setzten, bat Ailon, sich kurz frisch machen zu dürfen, so verschwitzt und zerzaust schicke es sich nicht, mit einer hohen Dame zu speisen, und schon gar nicht mit einer Göttin. Lächelnd wies ihm Churigee den Weg ins Badezimmer.
    Dort suchte Ailon rasch nach all den zahlreichen Kämmen Churigees und nahm alle leuchtenden Haare der Göttin an sich, die sich dort zwischen den Zähnen verfangen hatten; es waren zwölf Stück. Dann kämmte er sich hastig und wusch sein Gesicht mit kaltem Wasser.
    Beim anschließenden Mahl mit der schönen Göttin war er kurz versucht, ihr seinen betörenden Beutel der Düfte zu zeigen, aber dann dachte er, dass er eine Göttin wohl nicht so leicht beeindrucken konnte. Und erzürnen wollte er sie sicher nicht – mit einem Wutausbruch würde sie ihn vom Berg fegen und wohl bis ans Meer wehen, wo er auf den Felsen zerschellen müsste.
    Also dankte er freundlich für die Bewirtung und stieg wieder hinab. Rasch kehrte er an die Küste zurück und fertigte aus einer Hahnenfeder eine spitze, harte Nadel, eine zweite schliff er geduldig zu einer Klinge, die schärfer war als jede andere. Mit dieser schnitt er nun kreisrunde Stücke aus der Schlangenhaut und nähte sie mit der Nadel und den unzerreißbaren Haaren der Göttin zu zwölf Beuteln zusammen.

    In einen dieser Beutel füllte er den tobenden Schaum einer riesigen Welle, die sich beim nächsten Sturm an den Felsen brach. Mit den anderen fing er elf unterschiedliche Winde ein, eine steife Brise aus dem Westen, einen heißen Sturm aus dem Süden, der feinen Sand mit sich führte, dazu kühle, fallende Winde aus dem Norden, einen wirbelnden Orkan aus dem Osten und andere mehr. Alle diese band er sich an den Gürtel.
    Dann bestieg er ein kleines wendiges Segelboot und fuhr jenseits der Lagune der Zersplitterten Titanen hinaus auf den Ozean. Kaum entdeckten die Seetrolle ihn, stürzte sich ein erstes Boot mit hungrigem Gebrüll auf ihn. Doch als die Trolle schon die Enterhaken ausfuhren, öffnete Ailon den ersten Beutel, und die steife Brise füllte plötzlich sein Segel und jagte das Boot an den verdutzten Trollen vorbei, die sich nun versehentlich ins Meer stürzten statt auf den so schmackhaft riechenden Menschen.
    Ailon lenkte das Boot schnurgerade auf die Insel der Menschenfresser zu, und als ihm die nächsten Trolle mit gebleckten Zähnen entgegenruderten, öffnete er den zweiten Beutel, und ein tosender Sturm fegte die gewaltigen Kreaturen aus ihrem Boot und spülte sie weit hinaus aufs Meer, wo sie versanken und wieder zu Riffen wurden, während ihre hasserfüllten Schreie unter Wasser zu Sand zerfielen.
    Einen Beutel nach dem anderen öffnete Ailon und blies die Trolle aus ihren Booten, wehte sie von der Insel und versenkte all jene, die ihn mit gewetzten Messern und giertriefenden Augen angriffen. Alle anderen ließ er schließlich von der gewaltigen Welle im letzten Beutel davontragen, weit weg in Länder so fern, dass nicht einmal die Handelsschiffe von Venzara und Rhaconia sie je erreicht hatten.

    Sodann nahm Ailon die Insel der Trolle in Besitz. Er ließ die Gefangenen aus den Verliesen frei und setzte sie im letzten erhaltenen Trollboot, das er in Schlepp nahm, an Land. Der Jubel in beiden Städten war unbeschreiblich, und sie feierten Ailon als Helden und Retter, stießen auf ihn an und klopften ihm auf die Schultern. Schon bald zog er sich jedoch wieder auf die Insel zurück, denn er wollte sich nicht allzu sehr feiern lassen von Leuten, die ihn noch Jahre zuvor verspottet und verachtet hatten.
    Vier Wochen verbrachte er auf der Insel und sortierte dort die erbeuteten Schätze, um sie gerecht zwischen Vater und Mutter aufzuteilen. Doch wann immer sich draußen ein Sturm zusammenbraute, ging er hinaus und fing ihn in einem seiner zwölf Beutel.
    Währenddessen hatten die Stadtfürsten Zeit gehabt, ihr Versprechen zu bedauern, Ailon all die Schätze zu überlassen, die einst Bürgern ihrer Städte gehört hatten. Unabhängig voneinander, aber zur gleichen Zeit kamen sie zu dem Schluss, dass sie ihm das Gold zwar versprochen, ihm jedoch keine Steuerfreiheit zugestanden hatten. Und sie hatten beide in Erfahrung gebracht, dass

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