Das Verlies
schrecklich! Diese Ungewissheit! Wissen Sie, ich kenne Herrn Lura schon aus der Zeit, als er noch Student war. Ich habe bereits für seinen Vater gearbeitet, habe alle Höhen und Tiefen in der Firma miterlebt, und jetzt so was. Dabei ist Herr Lura ein so zuverlässiger Mann. Ich habe einfach keine Idee, was vorgefallen sein könnte. Ich hoffe nur, ihm ist nichts zugestoßen. Ich weiß nicht, ob die Firma das überleben würde.«
»Frau Walter, wir müssen Ihnen jetzt ein paar Fragen stellen«,sagte Hellmer, der in einem Moment, als sie gerade zu Boden schaute, von Durant angetippt und per Blickkontakt aufgefordert wurde, die Befragung durchzuführen. »Wann haben Sie Herrn Lura zuletzt gesehen?«
»Gestern Abend. Wir haben zusammen das Geschäft verlassen. Das war so um kurz vor sieben, und seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen. Heute Morgen hätte er einen äußerst wichtigen Termin mit einem Kunden aus Kassel gehabt, mit Herrn Leitner, dem Schauspieler. Der ist nach einer knappen Stunde ziemlich wütend wieder gegangen. Außerdem standen noch zwei weitere Termine an, aber …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe bei seiner Frau angerufen, zigmal auf seinem Handy, aber er scheint wie vom Erdboden verschluckt.«
»Erzählen Sie uns doch etwas über Herrn Lura. Was für ein Mensch ist er?«
»Was soll ich großartig über ihn sagen? Er ist immer freundlich, zuvorkommend, aber er hat auch seine Macken, wie jeder von uns. Er kann zum Beispiel ein furchtbarer Pedant sein, ganz anders als sein Vater, der auch mal fünf gerade sein ließ. Andererseits hat er aus einem ganz gewöhnlichen Autohaus ein äußerst exklusives gemacht, indem er von Anfang an betonte, dass seine Zielgruppe nicht die große Masse ist, sondern eine Klientel, die nicht nur exklusive Autos kaufen möchte, sondern auch eine entsprechende Beratung wünscht. Er hatte mit Billigwagen von Anfang an nichts am Hut, und sein Konzept ging auf. Mittlerweile ist das Autohaus Lura bei der betuchten Klientel in ganz Deutschland ein Begriff. Und wir haben etliche Kunden, die aus den angrenzenden Ländern kommen. Vor knapp zwei Wochen war sogar ein Scheich aus Dubai bei uns und hat gleich zwei Maybach und drei Ferrari geordert. Herr Lura gehört zu den ganz wenigen Händlern, über die man einen Maybach beziehen kann.«
»Maybach?«, fragte Durant, die mit dem Namen nichts anzufangen wusste.
»Eine der teuersten und exklusivsten Limousinen überhaupt. Wer ihn kauft, spricht nicht über den Preis, denn allein was zählt, ist, dass man einen hat.«
»Und wie teuer ist so einer?«
Frau Walter lächelte und sagte: »Mit einer vernünftigen Ausstattung ab vierhunderttausend Euro aufwärts. Nach oben gibt es keine Grenze, denn die Wünsche der Kunden sind bisweilen sehr ausgefallen. Und sehen Sie, Herr Lura hat schon vor fünfzehn Jahren diese Marktlücke erkannt. Wenn es überhaupt ein gesundes mittelständisches Unternehmen gibt, dann ist es das Autohaus Lura.«
»Wie ist sein Verhältnis zu den Mitarbeitern? Wie viele gibt es überhaupt?«
»Wir haben mit den Mechanikern zweiunddreißig Mitarbeiter. Er ist der Chef, aber er behandelt jeden gleich …«
»Gleich gut oder gleich schlecht?«
»Gleich gut, natürlich!«, antwortete Frau Walter leicht entrüstet. »Glauben Sie denn, ein Unternehmen würde derart florieren, wenn das Betriebsklima vergiftet wäre? Nein, niemals. Zudem zahlt er überdurchschnittlich gut, was natürlich ein weiterer Ansporn für die Angestellten ist.«
»Gibt es auch Mitarbeiter, die mit Herrn Lura nicht so gut klarkommen?«
»Die gibt es überall, schließlich kann man es nicht jedem zu jeder Zeit recht machen.«
»Könnten Sie sich vorstellen, dass einer dieser Mitarbeiter etwas mit dem Verschwinden Ihres Chefs zu tun hat?«
»Nein, ganz ausgeschlossen. Momentan haben wir ein hervorragendes Team, und, nein, da würde mir beim besten Willen keiner einfallen. Aber sprechen Sie doch mit jedem selbst, vielleicht ist mir ja etwas entgangen.«
»Das machen wir sowieso. Dazu brauchen wir allerdings eine Liste aller Angestellten der letzten zwei Jahre, nein, am besten der letzten drei Jahre. Können Sie sich an eine oder mehrere Entlassungenerinnern, die mit einer Auseinandersetzung einhergegangen sind?«
Frau Walter nippte an ihrem Tee und schüttelte den Kopf. »Nein, da fällt mir keine ein. Es ging immer alles ganz reibungslos. Und die meisten Beschäftigten sind schon seit mehreren Jahren bei uns tätig. Die Fluktuation ist
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