Das Verlies
Wohnung getroffen, so gegen neun hat er mir … den Krieg erklärt.«
»Können Sie sich erinnern, wie dieser Anwalt heißt?«
»Natürlich kann ich mich an dieses Arschloch erinnern. Becker, Dr. Werner Becker, er ist schließlich auch der Anwalt der Firma. Er kam, hat mich kurz angesehen und irgendwas mit Lura besprochen. Später erschien noch ein Arzt, der mich gewaschen und meine Wunden versorgt hat. Ich habe eine Spritze bekommen und bin kurz darauf eingeschlafen. Als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, war eine Frau in meinem Zimmer. Sie sollte auf mich aufpassen, dass ich nur nichts Falsches mache. Ich weiß bis heute nicht ihren Namen. Dann kam Becker noch mal und hat mir ein Schriftstück vorgelegt. Er hat mir einen Koffer mit fünfzigtausend Euro gegeben, und außerdem habe ich noch einen Mercedes Cabrio mit allen Schikanen bekommen, musste allerdings unterschreiben, nie ein persönliches Verhältnis mit Rolf Lura gehabt zu haben. So hat er sich freigekauft. Das ist die ganze Geschichte.«
»Und Sie haben nicht in Erwägung gezogen, zur Polizei zu gehen? Sie hätten ihn anzeigen können.«
»Welche Beweise hätte ich denn gehabt? Außerdem war da noch etwas anderes. Meine Mutter ist ziemlich krank, und ich muss mich um sie kümmern. Das Geld kam gerade richtig, so kann ich ein paar Monate zu Hause bleiben. Ich wusste ja, er würde mich nie wieder anrühren.«
»Gut, das ist Ihre Sache, doch für meine Begriffe gehört ein Mann wie er hinter Gitter.«
»Für meine Begriffe auch, aber ich sagte ja, ich habe in dem Moment auch an meine Mutter denken müssen. Und auf einen Prozess wollte ich mich nicht einlassen, ich hätte sowieso verloren. Wem glaubt man denn im Notfall eher, einer einfachen Sekretärin oder dem großen Rolf Lura? Der hätte doch mindestenszwei, drei Zeugen angeschleppt, die unter Eid ausgesagt hätten, dass er an jenem Abend mit ihnen zusammen war. Ich hätte keine Chance gehabt, was mir übrigens auch Becker klar gemacht hat. Also habe ich das Geld und das Auto genommen, wobei ich für das Auto auch noch mal gut fünfzigtausend bekommen habe.«
»Frau Kreutzer, könnten Sie sich vorstellen, dass er mit seiner Frau in ähnlicher Weise umspringt?«
»Keine Ahnung, das müssen Sie sie selber fragen. Ich traue ihm jedenfalls nach diesem Vorfall alles zu.«
»Und jetzt geht es Ihnen gut?«
»Ich habe mich schneller erholt, als ich gedacht hätte. Ich habe nur noch eine Narbe am Rücken. Aber vergessen werde ich das nie. Es war die schlimmste Demütigung meines Lebens, und das wünsche ich keiner Frau. Vor allem, als er auf mich gepinkelt hat, fühlte ich mich wie der letzte Dreck. Aber es ist vorbei, fertig, aus.«
»Warum haben Sie mit Ihrer Freundin nie darüber gesprochen?«
Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. »Keine Ahnung. Ich spreche nicht gern darüber. Vielleicht, weil sie noch dort arbeitet, ich weiß es nicht. Aber vielleicht tue ich es. Irgendwann.«
»Hatten Sie psychologische Hilfe?«
»Nein, ich musste allein damit fertig werden. Für mich war es wichtig, Abstand zu gewinnen und mich um meine Mutter zu kümmern. Das allein zählt. Sie ist der wichtigste Mensch in meinem Leben.«
»Wissen Sie, ob Herr Lura noch andere Affären hat oder hatte?«
»Nein, mir ist davon nichts bekannt. Aber ich würde es nicht ausschließen.« Mit einem Mal hielt sie inne, ihr Blick ging an Durant vorbei an die Wand, und dann sagte sie: »Da fällt mir etwas ein. Ganz zum Schluss, als er … na ja, da hat er gemeint, daswürde er mit jeder Frau machen, die ihn nicht respektiert. Komisch, aber das hatte ich bis eben vergessen.«
Durant warf Hellmer einen kurzen, aber vielsagenden Blick zu. Der nickte nur.
»Wie war er denn so als Chef?«
»Mal so, mal so. Er kann sehr launisch sein, und wenn er jemanden auf dem Kieker hat, ist er sogar sehr unangenehm. Es gibt nur eine Person, die für ihn unantastbar ist, und das ist Frau Walter. Sie schmeißt den Laden, ohne sie hätte er gar nicht einen solchen Erfolg. Aber ansonsten ist er als Chef eigentlich in Ordnung. Und er bezahlt überdurchschnittlich gut.«
»Wie lange haben Sie für ihn gearbeitet?«
»Anderthalb Jahre.«
»Hat er Feinde? Vielleicht ein Konkurrent oder ein gehörnter Freund, Liebhaber oder gar Ehemann?«
»Nicht, dass ich wüsste. Er konkurriert ja nicht mit anderen Autohäusern, sondern pflegt ein Niveau, mit dem er eine sehr ausgewählte Kundschaft anspricht. Sein Privatleben kenne ich natürlich nicht, nur
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