Das Verlies
meinem Mann?«
»Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Mann tot ist. Möchten Sie sich jetzt nicht doch lieber setzen?«
Corinna Becker sah Julia Durant fassungslos und mit ungläubigem Blick an. »Hatte er einen Unfall? Nein«, sagte sie mehr zu sich selbst, »dann wären vermutlich ganz normale Polizisten in Uniform gekommen. Sagen Sie mir, was passiert ist, ich kann es verkraften.«
Ihre Mundwinkel begannen zu zucken. Durant hatte das Gefühl, dass die vorgebliche Stärke nur gespielt war und Corinna Becker kurz vor einem Zusammenbruch stand. Sie ging zu ihr, nahm sie am Arm und führte sie zur Couch, was sie sich widerstandslos gefallen ließ.
»Sollen wir einen Arzt rufen?«
»Nein, wozu denn?«, fragte sie mit Trotz und auch einem gewissen Stolz in der Stimme und sah Julia Durant dabei an. Die ersten Tränen lösten sich und liefen über ihr Gesicht. Sie wischte sich mit einer Hand über die Augen und fragte weiter: »War noch jemand bei ihm?« Der Ton ließ Durant aufhorchen.
»Es waren zwei Personen im Auto.«
»Dann war es also doch ein Unfall?«
»Das Auto ist ausgebrannt.«
Corinna Becker sprang unvermittelt auf, stellte sich für einen Moment ans Fenster und schaute hinaus auf den herbstlichen Garten, doch sie schien mit ihren Gedanken weit weg zu sein. Sie drehte sich um, ging an den klobigen Eichenschrank, öffnete eine Klappe und holte ein Glas und eine Flasche Cognac heraus. Sie schenkte das Glas mehr als halb voll und trank es in einem Zug leer.
»Wer war die andere Person? Eine Frau?«
»Ja.«
Corinna Becker lachte kurz und bitter auf und sagte: »Ich hättewissen müssen, dass es eines Tages so weit kommt. Können Sie mir vielleicht den Namen dieser Frau nennen?«
»Frau Becker, ich …«
»Frau …«
»Durant.«
»Frau Durant, es ist doch völlig egal, ob Sie mir den Namen jetzt nennen oder ich ihn morgen oder übermorgen aus der Zeitung erfahre. Wer ist es?«
»Frau Lura.«
»Mein Gott, ausgerechnet Gabriele! Sie war es also, mit der er sich in letzter Zeit so häufig getroffen hat. Er hat auch dauernd mit ihr telefoniert, zuletzt gestern Nacht. Glaube ich zumindest.«
»Um welche Uhrzeit war das?«
»Er hat wohl gedacht, ich würde schon schlafen, aber ich konnte mal wieder nicht einschlafen. Sein Handy hat geklingelt, das war um genau drei Minuten nach halb elf. Er ist gleich danach weggefahren, ohne mir auf Wiedersehen zu sagen, und seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.« Sie schenkte sich nach, hielt das Glas in der Hand und setzte sich zu Durant. »Ich habe schon seit längerem geahnt, dass eines Tages etwas Schreckliches geschehen würde, aber so etwas …« Sie schüttelte den Kopf, ihr Blick ging ins Leere. »Was soll ich jetzt bloß machen? Ich habe zwei Kinder, aber keinen Mann mehr. Und ich brauche ihn doch so. Was tun andere Frauen in solchen Situationen? Sie haben doch Erfahrung mit so was, oder?«
»Jeder reagiert anders auf eine solche Nachricht«, erwiderte Durant, die nichts anderes sagen konnte, die sich nur fragte, was Becker in die Arme von Gabriele Lura getrieben hatte, hatte er doch zu Hause eine so attraktive und für die meisten Männer begehrenswerte Frau. »Sie sind eine starke Frau.«
Julia Durant hatte es kaum ausgesprochen, als Corinna Becker das Glas fallen ließ, das Gesicht in den Händen vergrub undhemmungslos zu weinen begann. Die Kommissarin legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie zu sich heran. Sie hatte das bewusst gesagt, um herauszufinden, wie stark diese Frau wirklich war. Maximilian war aufgestanden und kam zu seiner Mutter, und als er sie weinen sah, streichelte er ihr über die rechte Wange.
»Ist außer Ihnen noch jemand im Haus?«, fragte Durant.
»Verena, meine Tochter«, schluchzte Corinna Becker. »Sie ist oben auf ihrem Zimmer. Können Sie vielleicht Maximilian zu ihr hochbringen? Sagen Sie ihr aber nicht, was passiert ist, das muss ich selber tun.«
»Machst du das?«, bat Durant Hellmer, der Maximilian auf den Arm nahm, woraufhin der Kleine ebenfalls zu weinen anfing. Er versuchte ihn zu beruhigen, doch vergebens. Er klopfte an einer Tür, hinter der Musik spielte.
Verena kam heraus, erblickte Hellmer und sagte: »Tag. Wer sind Sie?«
»Ich bin von der Polizei, meine Kollegin ist unten bei deiner Mutter. Du möchtest dich bitte ein bisschen um deinen kleinen Bruder kümmern. Kannst du das?«
»Logisch«, antwortete sie und nahm Maximilian in Empfang. »Was wollen Sie von meiner Mama?«, fragte sie
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