Das Verlies
Whiskey genehmige? Mein Bruder hat nämlich nur beste Ware.«
»Wenn Sie nachher noch Auto fahren können«, sagte Hellmer.
»Ich kann. Aber auf den Schreck hin brauche ich einen.« Er schenkte sich ein halbes Glas voll und leerte es in einem Zug. »Vorzüglich«, sagte er und stellte das Glas auf den Tisch. »Fahnden Sie jetzt nach Gabriele?«
»Das müssen wir.«
»Alles klar. Ich muss los, sonst verpasse ich Markus noch. Und bitte, melden Sie sich bei mir, sobald Sie Näheres wissen. Markus kann bei mir bleiben, solange er will. Ich werde jedenfalls alles in meiner Macht Stehende tun, damit er nicht zu meinen Eltern kommt. Bis dann.«
»Bis dann und danke«, rief ihm Durant nach. Dann sah sie Hellmer nachdenklich an. »Was hältst du von dem, was er gesagt hat?«
»Es spricht alles gegen sie …«
»Kann sich jemand so verstellen, dass selbst jene, die sie lange kennen, nichts merken oder gemerkt haben?«
»Was weiß ich«, erwiderte Hellmer mürrisch. »Ich bin genauso ratlos wie du. Komm, fahren wir zu Beckers Frau. Aber vorher halten wir noch kurz an einem Imbiss, mir knurrt der Magen.«
»Ist okay.« Sie zog die Tür hinter sich zu und lief schweigend neben Hellmer zur Straße, als ihr Handy klingelte. Berger.
»Ja?«
»Frau Durant, wir können die Fahndung abbrechen …«
»Haben Sie sie schon gefasst?«, fragte sie sichtlich erleichtert und packte Hellmer am Arm, der sofort stehen blieb.
»Ja, haben wir. Dr. Becker und Frau Lura sind tot. Herr Lura wurde mit schweren Schussverletzungen in die Uni-Klinik gebracht …«
»Augenblick, Augenblick!«, stieß sie entsetzt aus. »Die sind beide tot? Und Lura lebt?«
»Das Fahrzeug ist ausgebrannt, unsere Spezialisten sind bereits auf dem Weg dorthin.«
»Wo?«, fragte Durant mit belegter Stimme.
»In einem Waldstück in der Nähe von Kronberg. Mehr weiß ich auch noch nicht. Wollen Sie die Nachricht Frau Becker überbringen?«
Durant schluckte schwer. »Wir waren sowieso schon auf dem Weg zu ihr. Aber ich will erst den Tatort in Augenschein nehmen. Wo ist es genau?«
Berger erklärte es ihr, sie wiederholte es laut, damit Hellmer mitschreiben konnte. »Sagen Sie den Kollegen Bescheid, dass sie mit der Arbeit warten sollen, bis wir da sind. Was machen Kullmer und Seidel?«
»Die sind noch unterwegs.«
»Wo?«
»Im Augenblick im Autohaus.«
»Die sollen alles dort abblasen und schnellstens in die Klinik fahren und versuchen, mit dem behandelnden Arzt zu sprechen. Ende.«
Sie drückte, ohne eine Erwiderung abzuwarten, auf die Aus-Taste, hielt das Handy aber weiter in der Hand.
»Du hast es mitgekriegt«, sagte sie zu Hellmer und sah ihn traurig an. Er nickte nur. »Wenn der Junge das erfährt, ich mag es mir gar nicht vorstellen. Komm, fahren wir.«
»Und was ist mit Essen?«
»Du kannst dir ja was holen, mir ist der Appetit vergangen. So eine Sauerei!«
»Du hast gesagt, dass Lura lebt. Wie kann das angehen?«
»Das werden wir wohl erst erfahren, wenn er aufwacht. Und ich hoffe inständig, dass er überlebt.«
»Hoffst du das wirklich?«
»Ich will den Mann kennen lernen, dem so viele schlimmeGeschichten angedichtet werden. Ich will wissen, wer er wirklich ist. Und jetzt komm.«
Donnerstag, 13.27 Uhr
Sie waren mit Blaulicht unterwegs und trafen kurz nach den Männern und Frauen der Spurensicherung und dem Fotografen ein. Der Ort war großräumig abgeriegelt worden. Hellmer und Durant gingen auf das fast ausgebrannte Fahrzeug zu. Die verkohlten Leichen saßen noch im Wageninnern, die rechte hintere Tür stand offen. Der durchdringende und beißende Geruch von verbranntem Fleisch, Kunststoff, Benzin und Öl hing noch immer in der Luft. Der Boden um das Fahrzeug war von dichtem Laub, das von den Bäumen jetzt in Massen abgeworfen wurde, bedeckt. Hier oben im Taunus war es noch um einiges kühler als in Frankfurt, doch Durant spürte die Kälte nicht mehr, sie sah nur auf das Fahrzeug und die beiden Toten, die in beinahe kerzengerader Stellung wie Mumien dasaßen.
»Wann ist es passiert?«, fragte Durant einen höchstens dreißig Jahre alten Streifenbeamten mit sehr kurzem blondem Haar und blauen Augen.
»Der Notruf kam um elf Uhr neunundfünfzig bei uns rein. Wir sind sofort los und waren um genau zwölf Uhr siebzehn hier. Nachdem wir sicher waren, dass es sich um das gesuchte Fahrzeug handelt, haben wir bei der Mordkommission in Frankfurt Meldung gemacht. Das war um zwölf Uhr achtundvierzig. Angerührt oder verändert haben wir
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