Das verlorene Gesicht
– sie begreift nicht, was ihr zustoßen kann.«
»Ich glaube, sie begreift das sehr gut. Sie hat gesehen, wie Joe mit dem Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht wurde. Sie ist nicht blöd.«
»Das habe ich auch nicht gesagt.«
»Und warum behandeln Sie sie dann so?«
»Ich will sie doch nur beschützen. Ich will sie nicht verlieren.«
»So wie Sie Bonnie verloren haben?«
»Halten Sie die Klappe, Logan.«
»Mach ich. Sandra hat bereits alles gesagt.« Er bog in die Auffahrt auf die 1-85 ein. »Aber ich würde an Ihrer Stelle über das nachdenken, was sie gesagt hat. Sie ist eine kluge Frau. Ich wusste gar nicht, wie klug sie ist.«
»Wo fahren wir hin?«
»Wir treffen uns mit Margaret. Sie muss aus der Stadt verschwinden. Ich nehme nicht an, dass ich Sie überreden kann, mit ihr zu fahren?«
Ihre Angst verwandelte sich plötzlich in Wut. »Und werden Sie mitfahren? Wie wär’s mit dem Schiff nach Timbuktu, Logan? Vergessen Sie Gil doch einfach.« Die Worte sprudelten mit einer Wut heraus, die sich von Minute zu Minute steigerte. »Vergessen Sie doch Ben Chadbourne. Laufen Sie doch einfach weg und lassen Sie die Welt zum Teufel gehen.«
Er spitzte die Lippen zu einem tonlosen Pfeifen. »Sie brauchen mir doch nicht gleich den Kopf abzureißen. Es war ja nur ein Vorschlag. Ich hatte ja nicht damit gerechnet, dass Sie –«
»Es war ein bescheuerter Vorschlag. Ich werde Joe und meine Mutter nicht allein lassen. Ich habe es satt, davonzulaufen und mich zu verstecken und Angst zu haben. Ich habe es satt, dass Menschen, die mir nahe stehen, verletzt werden, und ich habe es satt, mich hilflos zu fühlen. Ich habe mir vor langer Zeit geschworen, nie wieder ein Opfer zu sein, und jetzt passiert es doch. Sie sorgt dafür, dass es passiert.« Ihre Stimme zitterte vor Erregung. »Ich werde das nicht länger hinnehmen. Haben Sie verstanden? Ich werde niemals zulassen, dass sie –«
»Ich habe verstanden«, sagte Logan. »Ich höre Sie laut und deutlich, aber mir ist nicht klar, wie zum Teufel wir ihr das Handwerk legen sollen.«
Das wusste Eve auch nicht. Dann erinnerte sie sich an die letzten Worte ihrer Mutter, die Worte, die sie tief berührt und ihre Wut ausgelöst hatten.
Es wird Zeit, dass ich mein Leben wieder selbst in die Hand nehme.
Lisa Chadbourne war diejenige, die alles unter Kontrolle hatte, sie war die Angreiferin. Sie hatte Gary getötet. Womöglich hatte sie Joe getötet.
Aber ihre Mutter lebte. Eve lebte und Logan lebte. Und sie würden am Leben bleiben.
Keine Toten mehr, hatte sie gebetet.
Aber jetzt betete sie nicht.
Jetzt nahm sie die Sache in die Hand.
Margaret stieg aus dem Van, während Pilton auf dem Beifahrersitz blieb. »Wie geht es Quinn?«
»Wir wissen es nicht«, sagte Logan. »Intensivstation.« »Tut mir Leid«, sagte Margaret zu Eve. »Mit Ihnen alles
in Ordnung?«
Eve nickte.
»Wie geht es Sandra? Sie hat ihn sehr gemocht, nicht
wahr?«
»Ja.« Ihre Augen brannten. Das Thema wechseln. Nicht
an Joe denken. »Sie wird nicht mit Ihnen fahren. Sie bleibt
hier.«
Margaret runzelte die Stirn. »Halten Sie das für eine gute
Idee?«
»Nein, aber sie. Sie will nicht auf mich hören.« »Vielleicht könnte ich –«
»Sie hört auf niemanden mehr«, wandte Logan ein. »Und
ich möchte, dass Sie und Pilton sich auf den Weg machen.« »Pilton hat einen Bonus verdient, wissen Sie«, sagte
Margaret. »Er hat nicht damit gerechnet, dass er als
Flüchtling enden würde, als er den Job annahm. Die
Polizei wird nach ihm fahnden.«
»Dann geben Sie ihm einen Bonus.«
»Einen großen Bonus. Er war ein guter –«
»Wo ist Fiskes Wagen?«, fragte Eve plötzlich. »Haben
Sie ihn gefunden?«
»Pilton hat ihn gefunden. Er stand in der Einfahrt zu
einem leeren Ferienhaus, etwa zwei Kilometer von
unserem entfernt.«
»Haben Sie ihn ausgeräumt?«
»Restlos. Wir haben alles aus dem Handschuhfach und
dem Kofferraum in Mülltüten gepackt. Dann habe ich den
Wagen zum Flughafen gefahren und auf einem
Dauerparkplatz abgestellt.«
»Wo sind die Mülltüten?«
»Hinten im Van.«
Eve ging auf den Van zu. »Helfen Sie mir, Logan.« Margaret sah zu, wie sie die Mülltüten auf den Rücksitz
ihres Wagens packten. »Glauben Sie, er hatte was
Wichtiges bei sich?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Eve. »Wahrscheinlich
nicht, denn er war ein Profi. Aber andere Spuren haben
wir nicht.«
»Seien Sie vorsichtig mit der großen Tüte. Fiske hatte
genug Munition in seinem Kofferraum, um einen kleinen
Krieg vom Zaun zu brechen«,
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