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Das verlorene Gesicht

Das verlorene Gesicht

Titel: Das verlorene Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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rufe dich an, sobald ich die beiden gefunden habe.«
Logan legte langsam den Hörer auf.
Er arbeitet schnell.
Wie schnell?
Und in welche Richtung?
Das Haustelefon auf dem Schreibtisch summte.
»Ms Duncan hat vor drei Minuten das Haus verlassen«, sagte Mark.
»Ist sie unterwegs zum Haupttor?«
»Nein, sie geht den Hügel rauf.«
»Ich bin gleich da.«
Wenige Minuten später betrat Logan das Kutscherhaus.
»Sie ist am Friedhof«, sagte Mark.
Logan ging zu den Bildschirmen hinüber. »Was macht sie denn da?«
»Es ist dunkel und sie steht im Schatten von diesem Baum da. Soweit ich es beurteilen kann, macht sie gar nichts. Steht einfach da.«
Sie stand mitten in der Nacht auf einem Friedhof.
»Gehen Sie näher ran.«
Mark stellte die Kamera entsprechend ein und plötzlich erschien Eves Gesicht auf dem Bildschirm.
Logan konnte nichts daraus ablesen. Sie schaute mit völlig ausdruckslosem Gesicht auf die mit Blumen geschmückten Gräber. Was hatte er denn erwartet? Trauer? Qual?
»Ziemlich seltsam, was?«, meinte Mark. »Die ist doch bescheuert.«
»Verdammt, sie ist nicht bescheuert –« Er unterbrach sich, denn er war ebenso wie Mark über seine heftige Reaktion überrascht. »Tut mir Leid, aber sie ist nicht verrückt. Sie trägt einfach ein ziemliches Päckchen mit sich herum.«
»Ist ja schon gut«, sagte Mark. »Ich fand es einfach merkwürdig. Mich würde es nicht mitten in der Nacht auf einen Friedhof ziehen. Wahrscheinlich ist sie –« Plötzlich musste er laut lachen. »Scheiße. Sie haben Recht, sie ist vollkommen normal.«
Eve schaute in den Baum hinauf und der Mittelfinger ihrer rechten Hand war zu einer obszönen Geste ausgestreckt.
»Sie zeigt uns den Stinkefinger.« Mark musste immer noch kichern. »Ich glaube, sie ist mir sympathisch, John.«
Logan musste grinsen. Ihm war sie auch sympathisch, verdammt. Er mochte ihre Stärke und ihre Intelligenz und ihre Zähigkeit. Selbst ihre Sturheit und ihre Unberechenbarkeit gefielen ihm. Unter anderen Umständen hätte er sie sich als Freundin gewünscht … oder vielleicht sogar als Geliebte.
Geliebte. Bis zu diesem Augenblick war ihm gar nicht bewusst gewesen, dass sie ihn sexuell interessierte. Sie war attraktiv, aber er hatte sich mehr für ihre Intelligenz und ihren Charakter interessiert als für ihren großen, schlanken Körper.
Von wegen. Wem versuchte er eigentlich, etwas vorzumachen? Verdammt, Sex war immer wichtig, und wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, musste er sich eingestehen, dass es gerade Eves Zerbrechlichkeit war, die ihn erregte.
Was ihn zu einem ziemlichen Fiesling machte.
Also Finger weg. Er sollte sich lieber auf das konzentrieren, was wichtig war, auf den Grund, warum er sie hergeholt hatte.
Und darauf, warum zum Teufel sie immer noch auf dem verdammten Friedhof stand.
    Der warme Wind wiegte die Nelken auf den Gräbern und wehte einen zarten Duft zu Eve hinüber.
    Sie hatte Margaret erklärt, sie sei kein Monster, das sich auf Friedhöfen herumtrieb. Was wollte sie also hier? Warum war sie nicht wie geplant ins Bett gegangen, anstatt dem verrückten Impuls nachzugeben, der sie hierher geführt hatte?
    Und es war ein spontaner Impuls gewesen.
Anzunehmen, etwas hätte sie hierher gelockt, war verrückt, und sie war nicht verrückt. Diesen Kampf hatte
    sie ausgefochten, nachdem Fraser hingerichtet worden war, und sie musste sich davor hüten, den Pfad zu betreten, der in den Wahnsinn führte. Es würde nicht so leicht sein. Nachts von Bonnie zu träumen war akzeptabel, aber sie durfte sich nicht einbilden, Bonnie sei da, wenn sie hellwach war.
    Außerdem konnte Bonnie gar nicht hier sein. Sie war nie an diesem Ort gewesen.
Logan hatte von Tod und von Gräbern gesprochen und ihr Gefühl hatte den Rest getan. Niemand hatte sie hierher gerufen.
Es war nur ein spontaner Impuls gewesen.
    Sie wunderte sich nicht, als Logan sie bei ihrer Rückkehr ins Haus eine Stunde später erwartete.
    »Ich bin müde. Ich habe keine Lust zu reden, Logan.« Sie ging an ihm vorbei auf die Treppe zu.
Er lächelte. »Das habe ich aus Ihrer obszönen Geste geschlossen.«
»Sie hätten mich nicht beobachten dürfen. Ich mag es nicht, wenn man mich ausspioniert.«
»Ein Friedhof ist nicht gerade ein angenehmer Ort für einen Spaziergang. Warum sind Sie ausgerechnet dorthin gegangen?«
»Was kümmert Sie das?«
»Ich bin einfach neugierig.«
Ihre Hand umklammerte das Treppengeländer. »Hören Sie auf, in alles, was ich sage und tue, etwas Bedeutsames

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