Das verlorene Kind
Schafstall, holte ein Bund Stroh, umwickelte
damit die Brunnenröhre, dann ging er in die Küche, um ein brennendes
Scheit aus dem Herd zu holen. Sie saßen alle noch beisammen, die Söhne
mit den Entenhirtinnen, und lachten. Sie sahen nicht nach ihm hin, denn
niemand wollte gern aus der Wärme hinaus auf den Hof, um ihm etwa
helfen zu müssen. Fritz ergriff ein glimmendes Stück Kienholz; wie
schwere Scharniere klappten die steifen Gelenke seiner Finger zu und
hielten das am Ende noch sanft erwärmte Holz fest; dann ging er zum
Brunnen und steckte das Stroh in Brand. Es flammte auf und
verflackerte, er mußte zweimal neues Stroh holen und entzünden, bis er
endlich die Pumpe in Bewegung setzen und mit Mühe zwei Eimer Wasser
gewinnen konnte. Mit Gewalt, mit heftigem, arbeitseifrigem Willen zwang
er seinem armen, erstarrten und völlig betäubten Körper die Bewegungen
ab. Am Abend, der schnell kam, vermochte er nichts zu essen. Mit Mühe
schleppte er sich hinaus aus der Wärme, die ihn zu peinigen begann,
über den Hof in seine eisige Kammer. Wie ein Stück Holz konnte er sich
noch in Kleidern und Stiefeln in das Bett werfen, dessen
zurückgeschlagene Federdecke, schwer und prall gefüllt, durch die Last
seines Körpers niedergezogen, von selbst auf ihn herabfiel und ihn
bedeckte.
Doch der gute und tiefe Schlaf, der ihm immer geschenkt war,
kam nicht. Von seiner Brust ergoß sich langsam ein feiner Strom von
Wärme. Sein Herz erwachte; leise, wie aus weiter Ferne erst, kamen
seine Schläge, dann immer näher, schneller, härter, würgender fielen
sie gegen seine Kehle, hielten mit starkem Druck seinen Atem gefangen,
bis plötzlich, mit Macht sich durch die enge Kehle pressend, ein
Glutstrom sein Gesicht, seine Augen, sein Haupt bis tief zurück in den
Nacken überflutete. Wie der Feueratem heller, lodernder, beißender
Flammen überbrannte es seine Lippen, rauschte es wie das knatternde
Flügelschlagen eines gewaltigen Vogels gegen sein Ohr, blendete mit
züngelndem Schein seine Augen, die geschlossenen Lider wie Glas
durchleuchtend. Sein Atem stieß mühsam, halb erstickt in der von Hitze
aufgeblähten Brust auf und nieder; er senkte den Kopf tief gegen seine
Schulter, Kühlung suchend in der eisigen Kälte, aus der doch nur neue
Glut ihm entgegenschlug. Sein eisesgepanzerter Körper zerbarst in
Schmerzen und höllischer Glut.
Er fiel in Traum. Er hatte noch nie geträumt, verborgen war er sich
selbst bisher geblieben. Jetzt aber kehrte sein Verlangen, schwarz und
böse, ihm aber doch rein, keusch und natürlich, verworren, ihm aber
doch klar, vernichtend und mörderisch, ihm aber doch Jugend, Kraft und
Glück bedeutend, in der Kälte im Stall vereist und betäubt, jetzt
kehrte es zurück und strömte aus in seinen glühenden Traum.
Während er, um sein Haupt aus dem furchtbar ihn umlodernden
Brand zu retten, es auf den Kissen unruhvoll hin und her wandte, lag
sein Körper starr, unbeweglich, in gelähmtem Krampf. Im Traum stampfte
sein Herz mit wilden Schlägen auf. Im Traum waren seine Hände schwer
gefüllt mit lauer, weicher Feuchtigkeit. Es zog ihn hinab. Unter seinen
Füßen zerfloß die Erde, er sank regungslos, wie hoch aus der Luft
herabgelassen, mit beiden Füßen langsam in Wasser, das in kalten,
schwarzen, schlammigen Wogen unter ihm sich ausbreitete.
Seine Brust, sein Haupt standen noch in der Luft, wurden
umweht von blendender, sengender Glut, die mit heißen, scharfen,
nadelfeinen Stichen ihn umgab, doch langsam sank er tiefer in die
schwarze kühlende Wasserfurche ein, die seine Füße gruben. Er schmiegte
die Arme eng an seinen Körper, die Hände, übereinander gelegt, preßte
er zart und doch fest gegen die Tiefe seines Leibes. Aus der Tiefe
seines Leibes, zwischen seinen beiden Schenkeln hervor, flammte
plötzlich wilder Schmerz auf, doch je stärker es schmerzte, desto
fester preßte er seine Hände an, desto schneller sank er tiefer und
tiefer in den weichen, kühlenden Morast ein, der langsam bis zu seinen
Hüften drang und mit leisem Glucksen gegen die Spitzen seiner im Schoße
ruhenden Hände pochte. Plötzlich waren aber auch seine Hände
überschwemmt, er breitete sie auseinander, sie füllten sich mit dem
schweren, schwarzen, kalten Schlamm. Weich, wie kühles Fleisch ruhte er
in ihrer Höhlung, und plötzlich begann er zu leben, Pulse klopften
leise auf, ihr Schlagen strömte in seinen Körper ein, in jagenden
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