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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
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im Augenblick nur den Hy Top Club in der South Cottonwood Street wahrnehmen. Da war jetzt nämlich der Bär los. Eine Horde betrunkener Rüpel veranstaltete einen Höllenlärm und sorgte dafür, dass zumindest dieser Teil der Stadt belebt wirkte.
Der Krach, den sie veranstalteten, hatte es den Verfolgern, die sich aus südwestlicher Richtung genähert hatten, leichtgemacht, sie ausfindig zu machen. Zwei Tage hatte es gedauert, bis sie sie gefunden hatten. Zwei Tage nervtötender Heimlichtuerei und extremer Vorsichtsmaßnahmen. Der positive Effekt dieser Bemühungen war, dass die Road Agents nichts von der Gefahr ahnten, in der sie bereits schwebten.
    Miguel schätzte die Kampfkraft der Gegner auf mehr oder weniger zwanzig Mann. Außerdem gehörten noch die sechs Frauen der Mormonen und sieben oder acht Personen im Gefolge zu der Gruppe, ebenfalls weibliche, die aber zum Teil noch nicht alt genug waren, um Frauen genannt werden zu können. Sie waren ungefähr so alt wie seine Tochter Sofia, überlegte Miguel und blickte finster drein, was in der vollkommenen Dunkelheit allerdings nicht zu sehen war.
    Es drängte ihn heftig dazu, loszugehen und diese Männer, die seine Familie überfallen und getötet hatten, zu bestrafen.
    Nun, die Gelegenheit dazu würde er bald bekommen.
    »Die echten Banditen kommen aus dem Süden«, erklärte er Aronson. »Sie fallen in Texas ein, aber sie haben keine Stützpunkte hier. Manche behaupten, sie würden von meinem alten Freund Roberto Morales geschickt. Mit dem hatte ich mal zu tun, bevor er berühmt und berüchtigt wurde.«
    Aronson schaute ihn ungläubig an. Morales, der auf Lebenszeit gewählte Präsident der Südamerikanischen Föderation, war nicht gerade jemand, den man mit einem schlichten mexikanischen Rinderzüchter in Verbindung brachte. Aber Miguel hatte ihn tatsächlich gekannt, sie hatten mal zusammen gearbeitet.
    »Das war natürlich ein Scherz«, fuhr Miguel fort. »Wir sind nie Freunde gewesen. Aber ich kenne ihn noch von
früher, aus der Zeit vor seiner hinterhältigen Attacke auf Hugo Chavez. Wie auch immer, Banditen kommen und gehen und nehmen mit, was sie gebrauchen können, und halten sich von Blackstones Truppen fern. Wenn sie gefangen werden, hängt man sie … wie sagt man, standhaftlich?«
    »Standrechtlich«, korrigierte Aronson. Auf seinem Gesicht zeichneten sich sogar im blassen Licht der Sterne widerstreitende Gefühle ab: Angst, Wut, Rachegelüste und mühsame Beherrschung angesichts der Männer, die ihm alles genommen hatten und vor denen er sich nun verbergen musste. Gelegentlich hörten sie Schreie, die bis zu ihrem Versteck in dem Unterholz der Kiefern und Pekanbäume drangen, das einen Straßenzug weit entfernt lag. Die Schreie der Frauen brachten auch Miguel aus dem Gleichgewicht, denn sie erinnerten ihn an das, was mit seiner Familie geschehen war. Am liebsten wäre auch er losgestürmt, um sie zu rächen, aber er hielt sich zurück. Er fragte sich, ob Aronson wohl einige der panisch kreischenden Stimmen erkannte, und hoffte, dass es nicht so war. Das wäre mehr, als ein Mensch ertragen konnte. Wenn seine eigene Tochter dort von diesem menschlichen Abschaum gefangen gehalten und missbraucht würde, wäre er kaum in der Lage gewesen, sich zu beherrschen.
    Er beruhigte sich mit dem Gedanken, dass Sofia, zumindest im Augenblick, in Sicherheit war. Sie versteckte sich mit den übrigen Mormonen außerhalb der Stadt. Sie sollte nichts von den schlimmen Dingen erfahren, die sich heute Nacht hier ereignen würden.
    »Für die Banditen aus dem Süden ist Texas ein gefährliches Pflaster«, erklärte er geduldig. »Sogar tödlich, wenn sie gefangen werden. Für diese Männer da aber nicht.«
    Er deutete zum Hy Top , dessen Fassade von in Ölfässern angezündeten Feuern beleuchtet wurde. Aus dem Innern dröhnte Rockmusik. Die Musik des weißen Mannes. Verzerrte
Gitarren und donnerndes Schlagzeug übertönten auch noch die lautesten Schreie der gefangenen Frauen. Er schluckte seinen anschwellenden Zorn hinunter und bemühte sich, die Szenerie eiskalt und gefühllos zu betrachten. Die weibliche Gefolgschaft war leicht von den Mormonenfrauen zu unterscheiden. Auch wenn sie immer wieder von den Agents geschlagen, getreten oder sogar in die Dunkelheit gezerrt wurden, erfreuten sie sich einer gewissen Freizügigkeit und durften sich mehr bewegen als die zuletzt gemachten Gefangenen. Sie hatten außerdem das Privileg, die anderen Frauen erniedrigen zu dürfen.

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