Das verlorene Land
speziell fürs Militär hergestellte P90-Maschinenpistolen, indem man Kätzchen krault. Man stiehlt sie oder kauft sie auf dem Schwarzmarkt oder man plündert einen verlassenen Waffenladen, von denen es in diesem Land ja genug gab. Aber das war jetzt auch egal. Es spielte wirklich keine Rolle, woher dieser fremde Kerl, dessen Aussehen an ein Rhinozeros erinnerte, die Waffen hatte. Auch sein eigenartiger Viking-Helm und seine englische Freundin gingen absolut in Ordnung, denn immerhin hatten sie ihm den Arsch gerettet. Das war das Einzige, was zählte, und in dieser Hinsicht ging es ihm weiß Gott besser als den Bimbos und den Kopftuchfuzzies drüben auf der Madison Avenue und der 29. Straße, deren Ärsche zerfetzt auf den Straßen herumlagen.
»Sie müssen diesen Teil der Stadt sofort verlassen«, verlangte Wilson im gleichen Ton, in dem er üblicherweise niedrigere Ränge und jüngere Offiziere umherscheuchte.
Dem Mann und der Frau schienen der rohe Umgangston und die Verwünschungen des Sergeants überhaupt nichts auszumachen. »Verwünschungen« war noch so ein Wort, das Milosz aufgeschnappt hatte, als er F. Scott Fitzgerald las, genauso wie »orgastisch«, dieses Wort, das ihm noch immer ein Rätsel war und auf jeden Fall nicht geeignet schien, in der gerade stattfindenden Konversation benutzt zu werden.
»Es tut mir leid, Sergeant …«, begann die Frau.
»Master Sergeant der United States Army Rangers.«
»Das ist ja reizend, aber es tut mir leid, Master Sergeant, wir können die Stadt leider nicht verlassen, bevor wir unsere Arbeit getan haben.«
»Ihre Arbeit war es, verrostete Autowracks zu den Lastkähnen zu schleppen, soweit ich das hier aus diesen Papieren ersehen kann«, sagte Wilson. »Da steht nichts davon, dass Sie auf der Pirateninsel herumspuken sollen, um irgendwelche Arschlöcher umzumähen und nach einer Schatzkarte zu suchen. Mit Ihrer eigentlichen Arbeit hat das überhaupt nichts zu tun.«
»Nun ja«, sagte die Frau und lächelte ziemlich verführerisch, wie Milosz meinte. »Es hat auch mit unserer Arbeit nichts zu tun gehabt, Sie vor den barbarischen Horden zu retten, die schon die Messer gezückt hatten, um Ihnen die Kehlen durchzuschneiden. Wir haben es aber trotzdem getan. Vielleicht könnten Sie deshalb so freundlich sein und uns gehen lassen, bevor Ihre Freunde eintreffen. Ehrlich gesagt würde es uns den ganzen Tag verhageln, wenn wir jetzt den Rückzug antreten müssten.«
Milosz schaute aus dem Bürofenster auf die Straßen von Manhattan. Von ihrem Aussichtspunkt im zweiundvierzigsten Stock des Gebäudes, in das sie geflüchtet waren, hatten sie einen guten Blick auf die OPFOR-Truppen, die sich auf den Auffahrten zum Madison Square Park sammelten. Sie sahen nicht gerade überwältigend aus, sondern machten einen eher »abgenutzten« Eindruck, wie dieser amerikanische Colonel es genannt hatte. Der untere Teil der Stadt sah verheerend aus. Ehrlich gesagt wäre er sehr froh gewesen, hier für eine Weile rauszukommen.
Er schaute sich genauer im Büro um und fragte sich, welchen Geschäften die ehemaligen Bewohner wohl nachgegangen waren. Wie auch immer, sie waren jedenfalls an diesem 14. März des Jahres 2003 auf dem Posten gewesen.
Ihre Überreste sah man noch: Neben den Schreibtischen und in den Fluren lagen Kleiderberge um jene vertrockneten Häufchen herum, die aussahen wie versteinerte Schoko-Donuts. Er versuchte sie zu ignorieren, soweit das möglich war, und auch den Streit zwischen Wilson und den Schmugglern. Genau das war es ja wohl, was diese beiden darstellten.
»Halo an alle, wir bitten um Luftunterstützung. Unsere Position ist …«, sprach Gardener in ihr Funkgerät.
Er wandte sich wieder dem Drama zu, das sich unter ihnen abspielte. Dort standen Dutzende von Häuserblocks in Flammen. Bald würde die Sonne aufgehen. Kampfhubschrauber rasten durch die zerstörten Hochhausschluchten und feuerten Leuchtspurmunition auf unsichtbare gegnerische Ziele. Alle paar Minuten ließ sich ein Kampfjet aus den Wolken herabfallen, um Bomben oder Raketen in den brodelnden Schlachtkessel abzuwerfen. Ihre Detonationen ließen die Fenster vibrieren. Das Ausmaß der Zerstörung war ungeheuerlich.
»Truppen und Fahrzeuge sind aus der Deckung gekommen«, sagte Gardener. »Ungefähr hundert Militärfahrzeuge, dazu noch fünf zivile Lastwagen, sie bewegen sich Richtung …«
Sie saß in einer Ecke, die nicht einem bestimmten Büroangestellten gehört hatte. Teilungsraum nannte sie
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