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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
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sollte überhaupt jemand sein Leben für dieses tote Land riskieren?
    Er musste sich diese Frage einfach stellen. Wenn man ihnen die Uniformen wegnahm, waren es ganz normale Menschen, jung und kräftig, aber bestimmt keine Übermenschen. Keine Superhelden wie in den Comics, sondern ganz durchschnittliche Männer mit den gleichen Problemen wie alle anderen: unbezahlte Rechnungen, Beziehungsstress, familiäre Probleme. Das Übliche eben.
    Warum taten sie das alles, wo er ihnen noch nicht mal ihren Sold für diese Woche garantieren konnte? Warum ließen sie sich nicht von einer Privatfirma verpflichten, die ihre Fähigkeiten besser nutzen konnte und sie sogar für ihre Dienste bezahlte? Warum taten sie das? Weil, wie seine Frau Barbara zu sagen pflegte, irgendjemand es eben tun musste.
    Kipper lief jetzt schneller, um auf gleiche Höhe mit dem Anführer des Trupps zu kommen. Das musste ein … Lieutenant sein … sehr wahrscheinlich. An seiner Joggingkluft waren keine Abzeichen, um seinen Dienstgrad zu erkennen.
    »Hör mal, mein Junge«, schnaufte er. »Ich schätze, ich habe genug von dieser Rumrennerei. Wie wär’s, wenn wir jetzt zurücklaufen und uns dann aufmachen, den Krieg zu gewinnen?«
    »Huuah, Mr. President!«, stimmte der Angesprochene mit dem bekannten Ruf der Rangers zu.
    »Genau«, sagte Kipper. »Wir haben heute nämlich eine Menge zu tun.«
     
    Nachdem er den Anruf gemacht hatte, um alles auf den Weg zu bringen, stellte Kipper fest, dass er sehr ruhig war,
als er einige Stunden später die Ergebnisse vom Ort des Geschehens in 1500 Kilometer Entfernung zur Kenntnis nahm. Wenn die Sterne und die Satelliten günstig standen, war es möglich, den Kampf um New York auf den Bildschirmen in der behelfsmäßigen Kommandozentrale mitzuverfolgen, die die Army eingerichtet hatte, nachdem er sich entschlossen hatte, in der wiederbelebten Metropole des Mittelwestens zu bleiben. Kipper war nicht so ganz klar, woher die vielen Militärs plötzlich kamen. Waren die schon hier gewesen, als er eintraf, oder erst im Laufe der Woche eingeflogen worden? Jedenfalls war deutlich zu erkennen, dass der Cerner Campus von Menschen in Uniform in Beschlag genommen worden war, die hier herumwuselten wie in einem Ameisenhaufen.
    Die Situation erinnerte ihn an die erste Woche nach dem Effekt, als die Stadtverwaltung von Seattle von General Blackstone und seinen Offizieren aus Fort Lewis übernommen worden war. Dutzende, wenn nicht Hunderte von Telefonen hatten gleichzeitig geklingelt, in den Fluren drängten sich die Männer und Frauen so dicht, dass mitunter überhaupt kein Durchkommen mehr war, und alle trugen Papierstapel, Ordner, Ringbücher, Telefone, Landkarten und Aktenkoffer umher … Vor allem aber bergeweise Papiere, die immer erzeugt wurden, wenn die Vereinigten Staaten sich dazu entschlossen hatten, in den Kampf zu ziehen. Der kleine Konferenzraum, in dem er sich immer mit Jed Culver getroffen hatte, um das Land zu regieren, war vollgestopft mit Kommunikationsausrüstung, Computern und zahlreichen breiten Bildschirmen. Er hatte sich in einen Sitzungssaal im obersten Stockwerk zurückgezogen, wo er dann von Installateuren und Beamten heimgesucht wurde, und bald schon war dieses Zimmer genauso überfüllt wie das auf der unteren Etage, und die wenigen Offiziere, mit denen er sich abstimmen musste, drängten sich dicht um ihn herum.

    Kipper saß zwischen Jed Culver und Colonel Ralls, der seine grüne Montur gegen die normale Uniform der US-Army eingetauscht hatte. Er schien sich wesentlich wohler in seiner Haut zu fühlen als der Präsident, als er sein Smart Board zurate zog, auf dem die Fortschritte des Einsatzes Schritt für Schritt dokumentiert wurden.
    »Die Zweite Marine Expeditionary Brigade hat ihre Blockadepositionen östlich des Rockefeller Centers eingenommen«, sagte Ralls. »Die 101. Luftlandedivision ist eingeflogen.«
    Kipper rieb sich die Stirn, er hatte leichte Kopfschmerzen. Er fürchtete sich vor dem, was an diesem Tag geschehen würde. Er hatte die Zerstörung eines Großteils der Stadt befohlen, und das war etwas, das er eigentlich nie hatte tun wollen. Wohnungen, Büros, Geschäfte, Straßen, Kirchen, Erinnerungen, all das würde verschwinden. Er hatte solche Städte gebaut und mit Wasser und Energie versorgt, er hatte sie am Leben erhalten. Zwar war New York in diesem Sinne nicht seine Stadt, aber die anstehende Zerstörung machte ihm dennoch schwer zu schaffen.
    Die Gedanken an die verstümmelte

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