Das verlorene Land
einsetzen, Mr. President. Sie müssten eigentlich in einer Stunde hier sein.«
»Drei Truppen?«, fragte Kipper.
»Entschuldigen Sie, Mr. President«, sagte Kinninmore. »Truppenteile, Einheiten, wir von der Kavallerie nennen sie Truppen … äh … sie sind etwa dreihundert Mann stark. Mit den Marines zusammen dürften wir Kompaniestärke erreichen.«
Noch mehr Fremdwörter. Kipper ließ es dabei bewenden und gab durch ein Kopfnicken zu verstehen, dass der Colonel fortfahren sollte. Er hatte sich zur Regel gemacht, den Militärs nicht reinzureden, wenn es um Gefechtsangelegenheiten ging.
»Die Sache ist die, Sir, ich glaube, es könnte etwas mehr hinter diesen Angriffen stecken, als einfach nur die Aktivitäten von Plünderern und Piraten, die versuchen, unsere Rückeroberung der Stadt zu sabotieren. Die Einheiten, die wir am Flughafen bekämpft haben, gingen sehr koordiniert vor, und als wir sie heftiger angingen, haben sie ziemlich schnell den Rückzug angetreten. Das ging sehr koordiniert vonstatten, obwohl sie kontinuierlich unter Feuer standen. Sie hätten wesentlich mehr Leute dort rausbringen können, wenn unsere Luftstreitkräfte sie nicht von oben niedergemäht hätten.«
Kipper sah kurz vor sich, wie die letzte, harmlos klingende Bemerkung wohl in der Wirklichkeit ausgesehen hatte. Hunderte von Leichen, die von explodierenden Bomben und Granaten zerfetzt wurden. Er schob das unangenehme Bild beiseite und ging weiter durch einen gewundenen Korridor. Die vertäfelten Wände waren dekoriert mit Artefakten der amerikanischen Ureinwohner: Federschmuck, Schilde aus Büffelhaut, Tomahawks und Schmuck, alles noch intakt. Dicke blaue Teppiche dämpften ihre Schritte. Kipper stellte unwillkürlich fest, dass der Bodenbelag hier und da verfärbt war, wo die Überreste der Verschwundenen gelegen hatten. Ganz kurz fragte er sich, wann diese Reste wohl beseitigt worden waren, zwang sich dann aber, Colonel Kinninmores Ausführungen zu folgen.
»Mein S-Zweier hat die Überwachung des Kampfplatzes übernommen, Sir …«
S-Zweier? War das irgendein Geheimdienstoffizier? Die Army hatte jede Menge verwirrender Codes für alles Mögliche. Und was ist aus dem guten alten Schlachtfeld geworden? Kipper war sich ziemlich sicher, dass dieser Geheimdienstoffizier ganz schnell die Toten und die Verschanzung, oder wie man das nannte, inspiziert hatte.
»… und dabei haben wir einige beunruhigende Beobachtungen gemacht«, fuhr Kinninmore fort. »Vor allem, wenn man auch noch den gestrigen Raketenangriff auf Sie mit einbezieht, Sir. Diese Katjuschas waren nicht die üblichen Billigfabrikate, wie sie normalerweise von den Piraten benutzt werden. Die Experten meinen, dass sie frisch aus den Fabriken im Jemen gekommen sind. Und die feindlichen Kämpfer, die wir auf dem JFK angetroffen haben, benutzten sehr gute, nagelneue russische Funkgeräte und chinesische Gewehre. Karabiner vom Typ 56. Wir haben auch gut ausgestattete Kommandostände und Kontrollbunker mit medizinischer Ausrüstung und Unterkünften für größere Einheiten gefunden.«
Kipper dachte, er wüsste jetzt, worauf Kinninmore hinauswollte.
»Sie denken doch nicht etwa an eine internationale Verschwörung, Colonel? China ist kaum noch ein funktionierender Staat, dort herrscht Bürgerkrieg. Und Putin ist mit dem Kaukasus beschäftigt.«
Colonel Kinninmore schüttelte den Kopf.
»Nein, Mr. President. Jedenfalls geht es nicht um eine Verschwörung zwischen diesen Staaten. Die 56er Karabiner könnten auch aus Pakistan stammen oder einer ganzen Reihe anderer Staaten. Worauf es ankommt, ist, dass es sich um erstklassige Ausrüstungen handelt. Und es ist ziemlich auffällig, dass diese Dinge zum gleichen Zeitpunkt hier im Osten auftauchen, an dem die ganzen Freischärler,
die sich bislang vor allem gegenseitig bekämpft haben, mit einem Mal koordiniert vorgehen und in größerer Truppenstärke operieren. Ausgestattet mit dem Besten, was der freie Markt an Kampfausrüstungen zu bieten hat.«
Kipper war mit seinem Offizier einer Meinung, dass dies eindeutig ein Zeichen war. Aber wofür?
»Ich verstehe ja, was Sie mir sagen, Colonel. Aber können Sie noch ein bisschen deutlicher werden? Geht es jetzt vor allem um die Ausrüstung oder um … die Verhaltensänderung? Es ist ja nicht ungewöhnlich, dass jemand dazulernt und seine Strategie ändert.«
»Das ist richtig, Mr. President. Man lernt dazu, besonders an Orten wie New York, sonst geht man drauf. Aber mich
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