Das verlorene Land
interessiert, wer ihnen das alles beigebracht hat. Wir haben eine Handvoll Gefangene auf dem Kennedy Airport gemacht. Die meisten sind in ziemlich üblem Zustand, aber wir tun alles, um sie zusammenzuflicken und zum Reden zu bringen.«
Kipper konnte sich vorstellen, dass dieses »zum Reden bringen« keine besonders erfreuliche Angelegenheit für die Gefangenen sein würde. Schon vor einiger Zeit hatte er seine Truppen autorisiert, auf amerikanischem Boden gefangene Piraten als illegale Kämpfer einzustufen. Das Beste, was ihnen passieren konnte, war die sofortige Deportation, aber meistens wurden sie zusammen mit ihren Kampfgenossen standrechtlich erschossen. Kinninmore machte trotz seines kultivierten Ostküstenbenehmens nicht den Eindruck eines Mannes, der schlaflose Nächte hatte, nachdem er eine Horde von wild gewordenen Plünderern hinrichten ließ – und was anderes waren diese Piraten ja nicht.
»Die Sache ist die, Mr. President«, fuhr der Colonel fort, »ich glaube nicht, dass wir da ausschließlich einfache Piraten bekämpfen.«
Kipper war so sehr in seinen eigenen Gedanken versunken, dass er eine ganze Weile brauchte, um zu kapieren, um was es hier ging.
»Sprechen Sie weiter«, sagte er.
»Wir haben auch einige Aufklärungsberichte von Ellis Island bekommen, von wo aus die Raketenangriffe lanciert wurden …«
Kinninmore warf den Secret-Service-Leuten von Kipper einen kritischen Blick zu, bevor er weitersprach.
»… und man hat uns mitgeteilt, dass es neue Leute gibt, die hier in der Stadt operieren. Professionelle. Und damit meine ich richtige Profis, nicht irgendwelche Banden aus Russland oder so. Diese neuen Leute koordinieren die Piratenbanden und bezahlen sie mit Beute und Gebietsansprüchen.«
»Und wer könnte das sein?«, fragte Kipper.
»Wir stehen noch am Anfang, Sir. Aber es klingt alles nicht besonders gut. Einige Gefangene nennen sie Fedajin, andere benutzen das Wort Dschihadi.«
Kipper wurde ein wenig mulmig. Das erste Wort kannte er nicht, aber »Dschihad« war ihm durchaus ein Begriff aus der Zeit vor dem Effekt und vor allem aus dem französischen Bürgerkrieg, der danach ausbrach.
»Und was wollen diese Idioten hier?«, fragte er.
Kinninmore schüttelte den Kopf, als sie die Eingangshalle des Gebäudes erreichten und das Geräusch der Helikopter immer lauter wurde.
»Mr. President, im Augenblick verfüge ich nur über erste Hinweise von einem ziemlich unübersichtlichen Kriegsschauplatz. Ich kann Ihnen nicht mehr als das mitteilen. Aber ich kann so viel sagen: Es sieht nicht nach einem Zufall aus und auch nicht nach einer hastig beschlossenen Widerstandsmaßnahme. Es sieht eher danach aus, als würde hier jemand, der sehr genau weiß, was er tut, in unseren Vorgarten pinkeln.«
Kipper fand, dass die lässige Ausdrucksweise des Colonel gar nicht zu seinem kultivierten Akzent passte. Da Kinninmore aber wahrscheinlich den größten Teil seines Erwachsenenlebens in der Army verbracht hatte, wäre es lächerlich, von ihm die gewählte Ausdrucksweise eines Bankiers oder Kunsthändlers zu erwarten. Die Sicherheitsleute bedeuteten ihm vor dem Ausgang, im Gebäude zu bleiben, und er hatte Zeit, sich dem Offizier direkt zuzuwenden.
»Colonel, ich nehme mir jeden Tag aufs Neue vor, den Leuten zuzuhören, die etwas von ihrer Sache verstehen. Wenn Sie das Ganze für so wichtig halten, dass Sie es mir persönlich erzählen wollen, dann höre ich Ihnen gerne zu. Genau jetzt, in diesem Moment, kämpfen unsere Leute nicht weit von hier entfernt und riskieren ihr Leben. Der Erste, mit dem ich sprechen werde, wenn ich in meinem Hubschrauber bin, ist General Franks. Ich werde ihm befehlen, alle verfügbaren Mittel einzusetzen, die er benötigt, um diese Stadt zurückzuerobern, und zwar ein für alle Mal. Dies ist eine amerikanische Stadt, und das wird sie auch bleiben.«
»Jawohl«, sagte Kinninmore leise, aber bestimmt.
»Ich möchte«, fuhr Kipper fort, »dass Sie mir einen Bericht schreiben über das, was Sie uns gerade erzählt haben, und ihn an Franks schicken, und an ihre direkten Vorgesetzten. Ich werde das Thema dann auf die Tagesordnung unserer nächsten nationalen Sicherheitskonferenz am …«
Er warf Culver einen fragenden Blick zu.
»In drei Tagen, Mr. President.«
»Okay … auf der Sicherheitskonferenz in drei Tagen zur Sprache bringen. Reicht Ihnen das, Colonel?«
Kinninmore nahm Haltung an und nickte. »Geht in Ordnung, Mr. President. Mein S-Zweier hat bereits einen
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