Das verlorene Land
Lieutenant … Hunter. Wir müssen uns da wohl arrangieren, fürchte ich.«
Der junge Offizier, der mit dem scharfen Akzent der englischen Oberschicht sprach, inspizierte den Zettel des Innenministeriums und sah bald schon nicht mehr so forsch aus.
»Ich verstehe«, sagte er enttäuscht, ganz so als hätte er sich darauf gefreut, endlich mal einen anderen zusammenstauchen zu können, als seine eigenen Leute. »Sie wollen also in den Ort, Mr. Dalby und Miss …«
»Monroe«, sagte Caitlin und ruckte leicht nach vorn. »Caitlin Monroe.«
»Eine Beraterin des Innenministeriums«, erklärte Dalby. Der Lieutenant verzog das Gesicht. Falls ihr amerikanischer Akzent ihn beunruhigte, ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. »Die Dame ist aber nicht auf dieser Vollmacht angegeben. Sie müssen warten, bis ich das mit meinen Vorgesetzten abgeklärt habe.«
»Sie muss auch nicht da angegeben sein«, sagte Dalby und ließ nun jeden Hauch von Freundlichkeit aus seiner Stimme verschwinden. »Wenn Sie sich die Mühe machen und die Verfügung ganz durchlesen, werden Sie feststellen, dass ich die Berechtigung habe, jede beliebige Person an jeden mir passenden Ort zu bringen, Lieutenant. Und falls ich die Lust verspüren sollte, diesen Wagen hier direkt in ihren Arsch zu fahren und dort zu parken, dann könnte ich das ebenfalls tun. Und ich nehme stark an, dass Ihre Vorgesetzten mit dieser Vorgehensweise mehr als einverstanden wären. Zum Glück für Sie habe ich im Augenblick nicht dieses Bedürfnis. Ich will einfach nur nach Imber weiterfahren.«
Lieutenant Hunter, der jetzt aussah, als würde er auf einem Klumpen Hundescheiße kauen, rümpfte die Nase. Ein Regentropfen hing an seiner Nasenspitze. Er wischte erneut über den Rand seines Helms und spritzte dabei ein paar Tropfen auf Dalbys Mantel.
»Imber, ich verstehe. Kein Grund zur Aufregung, Sir. Dies ist ein ziemlich gefährlicher Ort, wissen Sie.«
»Heutzutage ist es überall in unserem Land gefährlich, Kumpel. Wenn es Ihnen also nichts ausmacht, hätte ich gern diese Papiere zurück und würde dann weiterfahren.«
Der Regen wurde heftiger, und der Lieutenant bemühte sich, ein bisschen davon in das warme, trockene Innere des Mercedes zu bringen, indem er das Clipboard durchs Fenster auf Dalbys Schoß warf.
»Fahren Sie vorsichtig, Sir«, sagte er grimmig lächelnd. »Es kommt hier immer wieder zu Unfällen.«
Dalby schnaubte und schüttelte den Kopf, während er das Fenster schloss. Dann legte er die Papier hinter Caitlins Sitz auf den Boden.
»Da vorne ist eine große Pfütze«, sagte sie. »Wenn Sie es gut abpassen, können Sie ihn richtig schön nass machen.«
Dalby grinste.
»Das wäre kindisch, wenngleich durchaus befriedigend, Ms. Monroe, aber ich werde davon absehen. Ich muss hier ziemlich häufig durch. Und obwohl Imber unter unserer Verwaltung steht, wäre es unklug, diese Stahlhelme gegen sich aufzubringen. Ein einfaches Leben, Caitlin, das ist es, wonach ich mich sehne. Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich Sie Caitlin nenne? Hm, das war nun in der Tat etwas überheblich.«
»Das geht schon in Ordnung«, sagte sie und versuchte etwas Wärme in ihre Stimme zu legen. Das war nicht ganz einfach, denn sie fühlte sich innerlich sehr kalt. Es war die emotionale Kälte, die ein Killer sich antrainiert. »Und vielen Dank auch, dass Sie sich um Bret und Monique kümmern. Im Krankenhaus stand ich ein bisschen neben mir. Ich habe ganz vergessen, mich bei Ihnen zu bedanken. Sie hatten bestimmt eine Menge zu tun, um das alles in dem kurzen Zeitraum auf den Weg zu bringen. Ich weiß ja, dass das heutzutage nicht mehr ganz so einfach ist.«
»Keine Ursache«, sagte er, als er vorsichtig an dem bewaffneten Offizier vorbeifuhr. »Unsere Ressourcen sind immer knapp, da haben Sie Recht. Die armen Soldaten hier, vor allem die Rekruten, verdienen nicht mal genug, um sich eine anständige Ration Zigaretten und Bier in der Messe leisten zu können. Kein Wunder, dass sie so schlecht gelaunt sind. Die verdammten Russen bezahlen ihre Leute besser als wir. Aber für bestimmte Dinge gibt es noch Geld, und in unserem Fall läuft alles wie geschmiert.«
Caitlin fragte sich, wieso er ihre Organisation, Echelon, nie beim Namen nannte. Es war ja nicht so, dass dieses
Netzwerk verschiedener Nachrichtendienste aus den englischsprachigen Ländern ein großes Geheimnis gewesen wäre. Sogar Monique, die junge Französin, nach der ihre Tochter benannt worden war, hatte davon
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